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Vorsicht, wenn der Betriebsrat sich vor Ablauf der Anhörungsfrist zur Kündigung äußert

Jedes Unternehmen mit Betriebsrat (BR) weiß:
Vor Ablauf der 1-wöchigen Anhörungsfrist für die ordentliche Kündigung bzw. der 3-tägigen Anhörungsfrist für die außerordentliche Kündigung (§ 102 Abs. 2 BetrVG) darf nicht gekündigt werden.
Die Ausnahme: Der BR hat bereits vor Ablauf der Fristen eine abschließende Stellungnahme abgegeben.
 
Das Problem: Viele Stellungnahmen des BR vor Ablauf der Frist sind keine abschließenden Stellungnahmen.
 
So ist es auch dem Arbeitgeber in dem gerade veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln vom 26.02.2025 (Az.: 4 SLa 400/24) ergangen.
 
Passiert war Folgendes:
Ein Arbeitgeber führte nach Interessenausgleich, Sozialplan und Massenentlassungsanzeige eine BR-Anhörung für knapp 50 ordentliche Kündigungen durch.
Das war am 18.12.2023.
Damit endete die Wochenfrist grundsätzlich am 25.12.2023. Wegen der Weihnachtsfeiertage verschob sich das Ende der Anhörungsfrist allerdings auf den 27.12.2023, § 193 BGB.
Am Vormittag des 27.12. widersprach der BR allen Kündigungen schriftlich.
Daraufhin ließ der Arbeitgeber die Kündigungen ebenfalls noch am Vormittag per Boten bei den Beschäftigten zustellen.
Am Nachmittag des 27.12. gingen weitere Widersprüche des BR beim Arbeitgeber ein, in denen der BR noch einmal jeder einzelnen Kündigung widersprach.
 
In einem daraufhin angestrengten Kündigungsschutzverfahren stellten sowohl das Arbeitsgericht Aachen in erster als auch das LAG Köln in zweiter Instanz fest:
 
Die Kündigung ist unwirksam, weil der Arbeitgeber vor Ablauf der dem BR zustehenden Wochenfrist kündigte.
Begründung:

  • Das Schreiben des BR am Vormittag des 27.12.2023 war keine abschließende Stellungnahme.
  • Deshalb endete die 1-wöchige Anhörungsfrist erst am 27.12.2023 um 24:00 Uhr

Der Arbeitgeber hatte also zu früh gekündigt, als er die Kündigungen am Vormittag des 27.12.2023 per Boten zustellen ließ.

Dumm gelaufen, was uns zu der Frage bringt:
Wann liegt eine abschließende Stellungnahme des BR vor, so dass Arbeitgeber vor Ablauf der Anhörungsfrist kündigen können?

Das BAG und ihm folgend auch das LAG Köln geben hierauf folgende Antwort:
Arbeitgeber dürfen nur dann von einer abschließenden Stellungnahme des BR ausgehen, wenn sie aufgrund besonderer Umstände sicher sein bzw. der Stellungnahme unzweifelhaft entnehmen können, dass der BR sich innerhalb der gesetzlichen Frist keinesfalls noch einmal – und sei es nur zur Ergänzung – äußern werde.

Und das ist laut BAG grundsätzlich nur in zwei Fällen gegeben:

  1. Fall: Der BR hat der beabsichtigten Kündigung vor Ablauf der Frist ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.
  2. Fall: Der BR hat ausdrücklich und vorbehaltlos erklärt, dass er sich zu der beabsichtigten Kündigung nicht äußern werde. 

In allen anderen Fällen müssen Arbeitgeber beim BR-Vorsitzenden nachfragen und um Klarstellung bitten, ob die Stellungnahme des BR abschließend ist. Auf eine Erklärung des BR-Vorsitzenden, dass es sich um eine abschließende Stellungnahme handelt, dürfen Arbeitgeber sich nach Ansicht des BAG dann aber verlassen.
 
Unser Praxistipp:
Arbeitgeber sollten Mustervorlagen für die BR-Anhörung prüfen und sicherstellen, dass der BR darin klar auf die Frage antworten muss, ob seine Stellungnahme eine abschließende ist.
 
Für Fortgeschrittene:
In puncto Anhörungsfrist besonders gefährlich sind außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigungen.
Nicht nur, dass Sie den BR zu beiden Kündigungsformen anhören müssen.
Sie müssen auch daran denken, dass für beide Kündigungsarten unterschiedliche Anhörungsfristen laufen – 1 Woche für die ordentliche und 3 Tage für die außerordentliche Kündigung.
 
Wenn nun der BR innerhalb der 3-Tages-Frist eine (unterstellt) abschließende Stellungnahme für die außerordentliche Kündigung abgibt, wird in der Praxis häufig der Fehler gemacht, dass dann auch gleich vorsorglich ordentlich gekündigt wird.
 
Sie ahnen es schon: Dieses Vorgehen ist nur möglich, wenn aus der Stellungnahme des BR klar hervorgeht, dass er innerhalb der 3-Tages-Frist eine abschließende Stellungnahme sowohl zur außerordentlichen als auch zur ordentlichen Kündigung abgegeben hat.
Anderenfalls läuft die dem BR für die ordentliche Kündigung zur Verfügung stehende Wochenfrist weiter.
 
Deshalb unser zweiter Praxistipp:
Wenn der BR in der Anhörung aufgefordert wird, sowohl zur außerordentlichen als auch zur ordentlichen Kündigung Stellung zu nehmen, sollte auch hier klar abgefragt werden, ob die Stellungnahme für beide Kündigungsarten abschließend ist.

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