Skip to main content

Wieder Aktuelles zum Thema Urlaub

Die neue Urlaubsrechtsprechung wirft noch eine Menge Fragen auf.
Die im folgenden besprochenen Urteile geben hierauf Antworten.

1. Kein Urlaub für die Freistellungsphase in der Altersteilzeit (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.09.2019, Az.: 9 AZR 481/18):

In diesem brandaktuellen und bisher nur als Pressemitteilung veröffentlichten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht einen langen Meinungsstreit zu Lasten der Arbeitnehmer entschieden:
Während der Freistellungsphase einer Altersteilzeit entsteht kein Urlaubsanspruch.
Arbeitnehmer in der Freistellungsphase einer Altersteilzeit sind damit genauso zu behandeln wie Arbeitnehmer, die ein Sabbatical machen.
Über die neue Rechtsprechung zum "Nicht-Bestehen" von Urlaubsansprüchen während eines Sabbaticals hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 06.09.2019 berichtet.

Damit können wir die bereits in unserem Newsletter vom 06.09.2019 erstellte tabellarische Übersicht über Urlaubsansprüche während Zeiten der "Nicht-Arbeit" jetzt wie folgt fortschreiben:

Sabbatical (unbezahlter Sonderurlaub):
Während des unbezahlten Sonderurlaubs entstehen keine Urlaubsansprüche.

Freistellungsphase während der Altersteilzeit:
Während der Freistellungsphase entstehen keine Urlaubsansprüche.

Pflegezeit:
Urlaubsansprüche können kraft Gesetzes gemäß § 4 PflegeZG um 1/12 für jeden vollen Kalendermonat gekürzt werden.
 
Elternzeit:
Urlaubsansprüche können kraft Gesetzes gemäß § 17 BEEG um 1/12 für jeden vollen Kalendermonat gekürzt werden.
 
Mutterschutz:
Urlaubsansprüche entstehen ohne Einschränkung.
 
Beschäftigungsverbot:
Urlaubsansprüche entstehen ohne Einschränkung, § 24 MuSchG
 
Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit:
Urlaubsansprüche entstehen ohne Einschränkung.

Wenn man diese Rechtsprechung konsequent weiterdenkt, müsste das, was für die Freistellungsphase in der Altersteilzeit gilt, auch für andere Freistellungszeiten gelten. Wir denken hier insbesondere an die Freistellung nach Ausspruch einer Kündigung oder im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung.
Bis unsere Prognose höchstrichterlich bestätigt wurde, sollten Sie aber auf Nummer sicher gehen und die Inanspruchnahme des Urlaubs nach Ausspruch einer Kündigung oder im Rahmen einer Aufhebungsvereinbarung ausdrücklich regeln. Und denken Sie bitte daran, dass die Inanspruchnahme von Urlaub eine unwiderrufliche Freistellung voraussetzt, wohingegen Freizeitausgleich für Über- oder Plusstunden auch im Rahmen einer widerruflichen Freistellung möglich wäre.
 

2. Für die Urlaubsabgeltung gilt das Mindestlohngesetz nicht (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 13.02.2019, Az.: 5 Sa 524/18):

Wie Sie aus unseren früheren Berichterstattungen wissen, sind Arbeitgeber nach aktueller Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verpflichtet, ihre Arbeitnehmer auch für Zeiten der zu bezahlenden "Nicht-Arbeit" in Höhe des Mindestlohns zu entlohnen. Entschieden wurde dies vom Bundesarbeitsgericht bereits für die Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sowie für das während der Inanspruchnahme von Urlaub zu zahlende Urlaubsentgelt.

Aber was ist mit der Urlaubsabgeltung, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den bis dahin noch nicht genommenen Urlaub fällig wird?

Nach Meinung des Landesarbeitsgerichts Hamm soll der Mindestlohn für die Urlaubsabgeltung nicht gelten.
Begründung des Landesarbeitsgerichts Hamm in Kurzfassung: Dem Urlaubsabgeltungsanspruch steht keine erbrachte oder aufgrund gesetzlicher Anordnung als erbracht zu behandelnde Arbeitsleistung gegenüber.

Ob das Bundesarbeitsgericht das genauso sehen wird, bleibt abzuwarten. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen, da es sich um eine noch nicht abschließend geklärte Rechtsfrage handelt.

Wir werden weiter berichten.
 

3. Keine Urlaubsabgeltung bei einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer Erwerbsminderungsrente (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.05.2019, Az.: 5 Sa 1709/18):

Es ist ein allgemeiner Grundsatz, dass Urlaubsansprüche nur dann in Geld abzugelten sind, wenn das Arbeitsverhältnis rechtlich beendet ist. Eine "faktische" Beendigung des Arbeitsverhältnisses reicht nicht.

Keine Urlaubsabgeltung gibt es nach diesem Grundsatz daher auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer befristeten Erwerbsminderungsrente ruht.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat sich in seinem Urteil vom 16.05.2019 nun die Frage gestellt, ob diese Sichtweise mit europäischem Recht in Einklang steht und diese Frage bejaht.

Auch Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Erwerbsminderungsrente ruht, haben daher weiterhin keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Offen gelassen hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg die noch nicht abschließend geklärte Frage, ob Urlaubsansprüche verfallen können, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Erwerbsminderungsrente rechtlich endet (z.B. weil dem Arbeitnehmer eine unbefristete Erwerbsminderungsrente zugesprochen wird und der Arbeits- oder Tarifvertrag für diesen Fall eine Regelung über die automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthält).
In diesem Fall stellt sich nämlich die Frage, ob die 15-monatige Verfallfrist, die für langzeiterkrankte Arbeitnehmer gilt, auch auf diesen Fall übertragbar ist, oder ob Urlaubsansprüche nicht verfallen können, da der Arbeitnehmer keine Möglichkeit mehr hatte, diesen Urlaub noch in Anspruch zu nehmen. In solchen Fällen kann es folglich Streit über die Höhe der Urlaubsabgeltung geben.
 

4. Zur neuen Initiativlast bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 24.07.2019, Az.: 5 Sa 676/19):

Die vom Bundesarbeitsgericht verabschiedete neue Initiativlast von Arbeitgebern bei der Urlaubsgewährung ist in aller Munde.
Deshalb haben sich viele Arbeitgeber schon die Frage gestellt, ob sie Arbeitnehmer auch dann auffordern müssen, den ihnen zustehenden Urlaub rechtzeitig in Anspruch zu nehmen, um ihn vor dem Verfall zu retten, wenn Arbeitnehmer langzeitkrank sind.

In seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 24.07.2019 hat das Landesarbeitsgericht Hamm diese Frage mit "Nein" beantwortet.
Begründung der Hammer Landesarbeitsrichter: Die neue Belehrungspflicht besteht solange nicht, solange Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt sind. Zu einer Belehrung sei der Arbeitgeber erst verpflichtet, wenn der Arbeitnehmer wieder gesund ist.
Das macht in der Tat Sinn.
 

5. Inititiativlast gilt auch für Urlaubsansprüche, die während eines Kündigungsschutzverfahrens fällig werden! (Bundesarbeitsgericht Urteil vom 19.02.2019, Az.: 9 AZR 381/16):

Kündigungsschutzverfahren dauern bekanntlich lange. Stellt sich hinterher heraus, dass die Kündigung unwirksam ist, stehen dem gekündigten Arbeitnehmer daher auch Urlaubsansprüche für die Dauer des Verfahrens zu.
Wie das Bundesarbeitsgericht jetzt in konsequenter Umsetzung seiner neuen Rechtsprechung entschied, gilt die neue Initiativlast von Arbeitgebern auch für diese Urlaubsansprüche.
Das heißt: Haben Sie den gekündigten Arbeitnehmer im laufenden Kündigungsschutzverfahren nicht aufgefordert, seinen Urlaub in Anspruch zu nehmen, verfällt der Urlaub des rechtsunwirksam gekündigten Arbeitnehmers nicht.

Wenn Sie jetzt darüber nachdenken, gekündigte Arbeitnehmer schon während des Kündigungsschutzverfahrens aufzufordern, ihren erst nach Ablauf der Kündigungsfrist entstandenen Urlaub zu nehmen, hilft Ihnen das nach der schon älteren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bekanntlich nur, wenn Sie dem Arbeitnehmer das während des Urlaubs fällige Urlaubsentgelt zahlen oder die Zahlung zumindest vorbehaltlos zusagen.
Solange Sie aber nicht wissen, ob Sie das Kündigungsschutzverfahren nicht doch gewinnen können, werden Sie das wohl kaum tun.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an. 

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

  • Erstellt am .