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Arbeitsgerichte stellen sich gegen das Bundesarbeitsgericht

Heute möchten wir Ihnen von vier Urteilen berichten, in denen sich Arbeits- und Landesarbeitsgerichte offen gegen die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gestellt haben.

1. Und die neue Vollzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB gilt doch!
(Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 14.02.2019, Az.: 8 Ca 4245/18 sowie Landesarbeitsgericht Sachsen, Urteil vom 17.07.2019, Az.: 2 Sa 364/18):

Wie Sie wissen, hat das Bundesarbeitsgericht per Urteil vom 25.09.2018 (Az.: 8 AZR 26/18) entschieden, dass die neue Verzugspauschale des § 288 Absatz 5 Satz 1 BGB nicht für arbeitsrechtliche Entgeltansprüche gilt.

Die 8. Kammer des Arbeitsgerichts Köln hat in ihrem Urteil vom 14.02.2019  (Az.: 8 Ca 4245/18) dem Bundesarbeitsgericht den Kampf angesagt und auf vielen Seiten begründet, warum die Meinung des Bundesarbeitsgerichts falsch sei und die 40 Euro teure Verzugspauschale auch im Arbeitsrecht gelte.

Das Landesarbeitsgericht Sachsen bläst in seinem Urteil vom 17.07.2019 (Az.: 2 Sa 364/18) ins gleiche Horn.

Auswirkungen für die betriebliche Praxis:
Unternehmen müssen sich aktuell darauf einstellen, dass sie beim Verzug mit Entgeltansprüchen ggfs. noch einmal durch die Instanzen müssen, wenn der Arbeitnehmer die Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 Satz 1 des BGB verlangt.

Wie das Bundesarbeitsgericht auch immer entscheiden mag, wenn es sich abermals mit der Verzugspauschale im Arbeitsrecht befassen muss (wir glauben eher, dass es an seinem „Nein“ zur Verzugspauschale festhält), lohnt es sich in jedem Fall, sich das BAG-Urteil vom 25.09.2018 (Az.: 8 AZR 26/18) zu Gemüte zu führen.

In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht nämlich auch umfangreiche Ausführungen zu § 12 a Absatz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes gemacht. Im Ergebnis stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass der in § 12 a Absatz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes verankerte Ausschluss von Kostenerstattungsansprüchen gegenüber dem Gegner auch für materiell-rechtliche sowie vor- und außergerichtliche Kosten und Kostenerstattungsansprüche gilt.

Das bedeutet:
In arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen trägt jede Partei ihre vorgerichtlichen und gerichtlichen Anwaltskosten bis zum Abschluss der ersten Instanz selbst. Das gilt sogar dann, wenn sich die andere Seite auf einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch (z. B. wegen Schadensersatzes) beruft.

Dieser Hinweis erfolgt, weil wir aus Erfahrung wissen, dass viele Arbeitnehmeranwälte in vorgerichtlichen Auseinandersetzungen Kostenerstattungsansprüche anmelden, die manchmal von den Unternehmen bezahlt werden, obwohl die Unternehmen sie nicht bezahlen müssten.
 

2. Geschäftsführer, denen erst nach ihrer Abberufung gekündigt wird, haben doch Kündigungsschutz!
(Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 21.11.2018, Az.: 17 Sa 916/18):

Ein alltäglicher Fall: Ein GmbH-Geschäftsführer wird erst abberufen und bekommt danach die Kündigung.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gilt er dann kündigungsschutzrechtlich in der Regel trotzdem noch als Geschäftsführer und hat wegen § 14 Absatz 1 Nr. 1 des Kündigungsschutzgesetzes keinen Kündigungsschutz. Nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.09.2017 (Az.: 2 AZR 865/16) spricht nämlich viel dafür, dass der kündigungsschutzrechtliche Status aus dem Vertrag folgt.

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg teilt diese Meinung nicht.
Entscheidend sei seiner Meinung nach die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung. Und wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner Abberufung kein Geschäftsführer mehr sei, habe er vollen Kündigungsschutz.

Fazit:
Unternehmen tun daher gut daran, die Kündigung nicht erst nach der Abberufung auszusprechen.
 

3. Arbeitnehmer haben doch einen Anspruch auf eine Dankes- und Gute-Wünsche-Formel im Abschlusszeugnis!
(Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 02.04.2019, Az.: 2 Sa 187/18):

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Arbeitgeber bekanntlich nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer am Ende des Zeugnisses zu danken und ihm für die Zukunft alles Gute zu wünschen.
Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern sieht dies anders und sagt:

"Angesichts der unbestreitbaren Üblichkeit solcher Schlussformeln geht die Verweigerung der Schlussformel mit einer sozusagen öffentlich dokumentierten Kränkung des Arbeitnehmers einher. Der Arbeitgeber kann und darf diese Regel des (Arbeits-)Marktes nicht unberücksichtigt lassen. Ohne sachlichen Anlass darf er sich daher einer angemessenen Schlussformel nicht verweigern."

Im konkreten Fall, so die Landesarbeitsrichter, gelte dies um so mehr, da der Arbeitgeber die Schlussformel nur aus Verärgerung verweigert habe.

Auch dieses Urteil zeigt, dass Arbeitgeber trotz anders lautender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nie vor Überraschungen sicher sind.
 

4. Ausnahmen von Ausschlussfristen müssen doch geregelt werden!
(Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 27.02.2019, Az.: 2 Sa 244/18):

Von diesem Urteil hatten wir bereits in unserem Newsletter vom 10.10.2019 berichtet, weil es für die betriebliche Praxis von großer Bedeutung ist.


Wenn Sie Fragen hierzu haben, melden Sie sich bitte.


Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

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