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Wichtige Urteile zum HR Daily Business

Folgende Urteile machen das Daily HR Business (hoffentlich) leichter:

  1. Zugang von Kündigungen, wenn der gekündigte Arbeitnehmer krank ist (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 01.04.2019, Az.: 1 Ta 29/19):

    Können Sie einem Arbeitnehmer, der sich im Krankenhaus befindet, wirksam eine Kündigung durch Einwurf in dessen Hausbriefkasten zustellen?

    Ja, das können bzw. dürfen Sie, wie das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 01.04.2019 noch einmal klargestellt hat.

    Ja, das dürfen Sie grundsätzlich sogar dann, wenn Sie wissen, dass der Arbeitnehmer nicht zuhause, sondern im Krankenhaus ist.
     
  2. Kein Recht zur Freistellung im ungekündigten Arbeitsverhältnis (Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 17.07.2019, Az.: 7 Ta 39/19):

    Auch das gehört zum Daily Business jedes Personalers: Mit einem Arbeitnehmer wird ein Gespräch über die nach Möglichkeit einvernehmliche Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geführt. Der Arbeitnehmer geht hierauf erst einmal nicht ein und wird dann einfach "unbefristet" freigestellt.

    So geht es nicht. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer seine Weiterbeschäftigung sogar per einstweiliger Verfügung erzwingen, wie das Landesarbeitsgericht Köln am 17.07.2019 entschied.

    Die Kölner Landesarbeitsrichter haben die Entscheidung richtigerweise so begründet: Arbeitnehmer in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis haben einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf Beschäftigung. Diesen Beschäftigungsanspruch dürfen Arbeitgeber nicht durch eine einseitige, gegen den Willen des Arbeitnehmers vorgenommene Freistellung verletzen.

    Daher unser Praxistipp:
    Sagen Sie dem Arbeitnehmer am Ende eines solchen Personalgesprächs, dass Sie ihm erstmal eine Woche lang Zeit geben möchten, über Ihr Angebot nachzudenken und sich mit seiner Familie oder anderen Personen zu besprechen.
    In der Regel wird ein Arbeitnehmer Ihnen ein solches Angebot danken und sich mit der einwöchigen Freistellung einverstanden erklären. Wichtig ist natürlich, dass Sie schon im Erstgespräch ein Zweitgespräch nach Ablauf der einwöchigen Überlegungszeit anberaumen, in dem der Arbeitnehmer sich zu Ihrem Angebot "committen" soll.
    Stellt sich im Zweitgespräch heraus, dass Sie mit dem Arbeitnehmer "ins Geschäft kommen", kann man die Freistellung problemlos in der Gesamteinigung regeln.
    Zeigt sich im Zweitgespräch dagegen, dass der Arbeitnehmer nicht vergleichsbereit ist, kommt es darauf an:
    Entweder Sie beschäftigen den Arbeitnehmer im eigenen Interesse weiter, um z.B. erstmal die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung zu schaffen.
    Oder Sie kündigen, weil Sie jetzt schon gute Karten haben, ein Kündigungsschutzverfahren zu bestehen. Im Anschluss an eine Kündigung ist eine Freistellung oft kein Problem.

     
  3. Arbeitnehmer, die eines der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes genannten Merkmale in sich tragen, werden nicht automatisch benachteiligt (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.07.2019, Az.: 6 Sa 496/18):

    Es liegt in der Natur der Sache, dass Entscheidungen auch zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern getroffen werden, die in Mutterschutz sind, älter sind, schwerbehindert sind, o.ä.
    Nur weil eine nachteilige Entscheidung auf einen solchen Arbeitnehmer trifft, setzen Sie aber noch kein Indiz für eine unzulässige Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.
    Dies hat das Landesarbeitsgericht Köln in seiner lesenswerten Entscheidung vom 04.07.2019 noch einmal klargestellt, indem es u.a. sagt:

    "Allein die Behauptung der Zugehörigkeit zu einer durch dieses Gesetz geschützten Gruppe, wie "Ich bin homosexuell" oder "Ich bin 55 Jahre alt und deshalb nicht eingestellt worden", reicht nicht aus, um die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Würde man eine solche Behauptung genügen lassen, könnte jeder, der zu der durch das Gesetz geschützten Personengruppe gehört, und mindestens ein Merkmal, das nicht in die Entscheidung einfließen darf, erfüllt, ohne jeden weiteren Anhaltspunkt versuchen, seine angeblichen Rechte durchzusetzen (BAG v. 25.04.2013 - 8 AZR 287/14). Für eine schwangere Frau bedeutet das: Jede arbeitgeberseitige Weisung, also jede Ausübung des Direktionsrechts aus § 106 GewO stellt eine Einschränkung der persönlichen Freiheit der Arbeitnehmerin und damit eine nachteilige Behandlung dar. Hiernach könnte eine Schwangere während der ca. 7 Monate ihrer Beschäftigung (wenn sie nicht arbeitsunfähig ist oder einem Beschäftigungsverbot unterliegt) hinsichtlich jeder Weisung des Arbeitgebers eine Entschädigung verlangen, die vom Arbeitgeber nur dann nicht zu zahlen ist, wenn er nachweisen kann, dass die Schwangerschaft und damit das Geschlecht der Arbeitnehmerin auch nicht nur als kleiner Teil seines Motivbündels (BAG v. 18.09.2014 - 8 AZR 753/13) bei Erteilung der Weisung eine Rolle gespielt hat. Ein solcher Nachweis ist bei einer Vielzahl denkbarer Weisungen außerordentlich schwer oder unmöglich. Hinzu kommt, dass bestimmte Merkmale - wie z.B. Alter und Geschlecht - für jeden Menschen kennzeichnend sind. Mit einem solchen Vortrag kann unter Umständen die Benachteiligung, d.h. die vergleichsweise schlechtere Behandlung, dargetan werden, wie das hier geschehen ist, nicht aber, dass die Benachteiligung gerade auf einem Diskriminierungstatbestand beruht (vgl. LAG Köln 28.06.2012 - 6 Sa 207/12 -; Düwell, jurisPR-ArbR 28/2006, Anm. 7). Die Anspruchsstellerin muss folglich weitere Anhaltspunkte durch den Vortrag von (Hilfs-)Tatsachen liefern, die auf eine Diskriminierung schließen lassen, also auf eine Benachteiligung, die auf einem verpönten Merkmal beruht."
     
  4. Unwirksam gekündigte Arbeitnehmer sind nicht verpflichtet, auf das Ende ihrer Arbeitsunfähigkeit hinzuweisen (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 11.07.2019, Az.: 6 Sa 663/18):

    Und wieder ein Fall aus der Praxis: Einem Arbeitnehmer war unwirksam gekündigt worden. Kurze Zeit später erkrankte der Arbeitnehmer längerfristig und erhob Kündigungsschutzklage.
    Nach dem für den Arbeitgeber verlorenen Kündigungsschutzprozess wurde über den Annahmeverzugslohn gestritten.
    Der Arbeitgeber wollte den Annahmeverzugslohn für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht zahlen, da der Arbeitnehmer sich nicht gesund gemeldet hatte.
    Dazu war der Arbeitnehmer nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts Köln in dessen Urteil vom 11.07.2019 aber auch nicht verpflichtet.
    Begründung der Kölner Landesarbeitsrichter:

    "Es genügt im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis der objektive Wiedereintritt ihrer Leistungsfähigkeit; die Kenntnis der Arbeitgeberin hiervon ist nicht zuletzt wegen der Verschuldensunabhängigkeit des Annahmeverzuges unerheblich. Der Hinweis der Arbeitnehmerin auf die fortbestehende oder wieder eingetretene Leistungsfähigkeit gehört grundsätzlich nicht zu den positiven Tatbestandsvoraussetzungen des Verzugslohnanspruchs nach §§ 615, 293 - 296 BGB."

    Arbeitgeber, die eine unwirksame Kündigung nur deshalb aufrecht erhalten, weil der Arbeitnehmer nach Ausspruch der Kündigung längerfristig krank gewesen ist, können sich also schnell verkalkulieren.

Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an. 

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

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