Mobbing oder Diesel Skandal: Aktuelles zum Mitverschulden von Arbeitnehmern und Arbeitgebern
1. Mobbing und Mitverschulden von Arbeitnehmern (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 15.08.2019, Az.: 44 Ca 8580/18):
Mobbing ist in vielen Unternehmen ein Thema. Oftmals erfährt die Geschäftsführung von Mobbinghandlungen aber erst, wenn das mutmaßliche Mobbing-Opfer Schadensersatzansprüche geltend macht. Wenn die Mobbing-Handlungen von Vorgesetzten begangen sein sollen, steht die Geschäftsführung vor dem rechtlichen Problem, dass sie sich das Handeln ihrer Führungskräfte zurechnen lassen muss (§§ 278, 831 BGB).
Allerdings hat das Arbeitsgericht Berlin in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 15.08.2019 jetzt entschieden:
Mutmaßliche Mobbing-Opfer sind verpflichtet, den Arbeitgeber rechtzeitig auf Mobbing-Handlungen hinzuweisen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um massive Persönlichkeitsverletzungen und dadurch drohende hohe Schäden handelt, § 254 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Kommen mutmaßliche Mobbing-Opfer dieser Pflicht nicht nach, trifft sie ein Mitverschulden, das (wie im entschiedenen Fall) zum Ausschluss von Schadensersatzansprüchen führen kann.
Aber Achtung:
Stehen Mobbing-Handlungen im Zusammenhang mit einem der in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) genannten Merkmale, kommt es für den verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch nach § 15 AGG („Schmerzensgeld“) nicht auf ein (Mit-)Verschulden an. Eine Untätigkeit des Arbeitnehmers kann sich allerdings bei der Höhe der Entschädigung auswirken.
Solche Ansprüche des wegen seiner ostdeutschen Herkunft benachteiligten Klägers hat das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung abgelehnt, da Menschen ostdeutscher Herkunft weder Mitglieder einer ethnischen Gruppe noch Träger einer einheitlichen Weltanschauung seien.
2. Mitverschulden des Ex-VW-Vorstands beim Diesel-Skandal (Arbeitsgericht Braunschweig, Urteil vom 25.07.2019, Az.: 8 Ca 321/18):
Im Zuge des VW-Diesel-Skandals geht es auch diversen Arbeitnehmern an den Kragen. Neben der Kündigung von Arbeitsverhältnissen, geht es um Schadensersatzansprüche gegen verschiedene Arbeitnehmer.
In seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 25.07.2019 hat das Arbeitsgericht Braunschweig solche Schadensersatzansprüche mit der Begründung verneint, dass dem damaligen VW-Vorstand zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen sei. Schon 2014 habe es erste Studien über die tatsächlichen Emissionen von Diesel-PKWs gegeben. Wenn der damalige VW-Vorstand über die Ergebnisse dieser Studien einfach hinweg gegangen sei, habe er grob fahrlässig gehandelt. Dieses Mitverschulden sei größer als die Pflichtverletzungen der beteiligten Arbeitnehmer, so dass kein Raum für Schadensersatzansprüche sei.
Schiffbruch erlitt VW in demselben Verfahren auch im Hinblick auf die ausgesprochene fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung.
Zwar sei es nach Meinung der Braunschweiger Richter grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass VW die Kündigung erst nach Einsicht in die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten erklärt habe (also zwei Jahre später).
Die fristlose Kündigung sei trotzdem verfristet, da VW seit 2015 eigene Ermittlungen angestellt habe und die Kündigungen von Arbeitnehmern bloß aus taktischen Erwägungen zurückgestellt habe.
Deshalb verstoße auch die ordentliche Kündigung gegen § 242 BGB.
Was lernen wir daraus? Vorstände und Geschäftsführer können grundlegende Verantwortlichkeiten nicht auf die darunterliegenden Führungsebenen wegdelegieren. Sie bleiben immer auch selbst verantwortlich. Außerdem müssen sie ihr Unternehmen so organisieren, dass möglichst keine Schäden entstehen; ob den Ex-Vorstand von VW ein solches Organisationsverschulden traf, haben die Braunschweiger Arbeitsrichter aufgrund der von ihnen festgestellten grob fahrlässigen Untätigkeit des Vorstandes offengelassen.
Wie die Entscheidung zeigt, ist es außerdem gefährlich, Kündigungen von Arbeitnehmern aus taktischen Erwägungen zurückzustellen.
Der Diesel-Skandal wird die Arbeits- und vor allem auch die Zivil- und Strafgerichte sicher noch lange beschäftigen.
Die Arbeitnehmer haben jedenfalls einen ersten Sieg errungen.
Wenn Sie Fragen dazu haben, sprechen Sie uns gerne an.
Bettina Steinberg Dr. Mona Geringhoff Lydia Voß
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