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Aktuelles zur Abgrenzung freie Mitarbeiter / Arbeitnehmer

In Fällen, in denen der freie Mitarbeiterstatus fraglich ist, hat das Bundesarbeitsgericht zwei sehr wichtige Urteile gefällt.
In dem ersten und kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.05.2019 (Az.: 9 AZR 295/18) hat das Bundesarbeitsgericht einige grundlegende Feststellungen zur oft schwierigen Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern getroffen.

In dem ersten und kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21.05.2019 (Az.: 9 AZR 295/18) hat das Bundesarbeitsgericht einige grundlegende Feststellungen zur oft schwierigen Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern getroffen.

Die Kernaussagen des Bundesarbeitsgerichts lauten:

  • Ein bloßer Rahmenvertrag mit einem freien Mitarbeiter ist kein Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis.

    O-Ton des Bundesarbeitsgerichts: Gerade das Recht der selbstständigen Leistungserbringung kennt Rahmenverträge, in denen die Vertragsparteien lediglich die grundsätzliche Ausgestaltung ihrer Geschäftsbeziehung regeln. Der Senat hat in der Vergangenheit mehrfach Rahmenverträge als Verträge mit einem Selbstständigen gewertet.

    Entscheidend für die rechtliche Einordnung bei Rahmenverträgen ist vielmehr, ob dem freien Mitarbeiter das Recht eingeräumt wird, frei über die Annahme künftiger Einzelverträge zu entscheiden oder ob dem Unternehmen ein Weisungsrecht zustehen soll.

    Die Frage, ob ein Mitarbeiter in Bezug auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort, weisungsfrei oder weisungsgebunden arbeitet, ist und bleibt das entscheidende Abgrenzungskriterium, dem auch bei Rahmenverträgen nachgegangen werden muss.

    Diese Feststellungen sind deshalb wichtig, weil die Vorinstanz (das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg) gerade in dem Rahmenvertrag ein Indiz für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gesehen hat.
     
  • Weitere Indizien für eine freie Mitarbeit sind:

    Der freie Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, die Leistung in Person zu erbringen, sondern darf sie auch durch Dritte (insbesondere eigenes Personal erbringen) lassen.

    Der freie Mitarbeiter stellt Arbeitsgeräte und Arbeitsmittel selbst.

    Der freie Mitarbeiter ist nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, am Markt aufzutreten, um weitere Unternehmen für sich zu gewinnen.
     
  • Kein entscheidendes Indiz ist laut Bundesarbeitsgericht dagegen die Art der Vergütung (im entschiedenen Fall erhielt der freie Mitarbeiter ein Stundenhonorar).

    O-Ton des Bundesarbeitsgerichts: Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung.

Mit diesen Feststellungen hat das Bundesarbeitsgericht wichtige Leitplanken für freie Mitarbeiterverträge aufgestellt. Wichtig ist natürlich, dass das, was auf dem Papier steht, auch so gelebt wird.

Spricht schon die Vertragsgestaltung für ein Arbeitsverhältnis oder wird ein Mitarbeitervertrag, der die gerade genannten Kriterien beinhaltet, nicht so gelebt, kann dies bekanntlich in arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Hinsicht böse Konsequenzen haben.

In seinem zweiten Urteil vom 26.06.2019 (Az.: 5 AZR 178/18) hat das Bundesarbeitsgericht ein Grundsatzurteil für die Rückabwicklung eines freien Mitarbeitervertrages, der sich als Arbeitsverhältnis entpuppt, gefällt und Folgendes gesagt:

  • Der Arbeitgeber kann die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn rückwirkend festgestellt wird, dass der freie Mitarbeiter in Wahrheit Arbeitnehmer war.
     
  • Die sozialversicherungsrechtliche Bewertung des Status eines Mitarbeiters ist für die Arbeitsgerichte nicht bindend. Das hat damit zu tun, dass der sozialversicherungsrechtliche Begriff der Beschäftigung nicht deckungsgleich mit dem arbeitsrechtlich relevanten Begriff des Arbeitsverhältnisses ist.
     
  • Gibt es beim Arbeitgeber unterschiedliche Vergütungsordnungen für a) freie Mitarbeiter und b) für Arbeitnehmer, sind diese maßgeblich.
     
  • Gibt es keine unterschiedlichen Vergütungsordnungen (wie das meistens der Fall ist), kann laut Bundesarbeitsgericht das mit dem freien Mitarbeiter vereinbarte Honorar nicht ohne Weiteres dem für ein Arbeitsverhältnis maßgeblichen Entgelt gleichgesetzt werden. Anderenfalls bliebe - so das Bundesarbeitsgericht wörtlich - außer Acht, dass die Vergütung von Personen, die im Rahmen eines Dienstvertrags selbstständige Tätigkeiten erbringen, typischerweise zugleich Risiken abdecken soll, die der freie Mitarbeiter anders als ein Arbeitnehmer selbst trägt.

Daraus folgt: Freie Mitarbeiter, deren Arbeitnehmerstatus rückwirkend festgestellt wird, haben nur Anspruch auf die für Arbeitnehmer mit solchen Tätigkeiten übliche Vergütung (§ 612 Absatz 2 BGB).

Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn das vereinbarte Honorar unabhängig vom Status des Mitarbeiters maßgeblich sein sollte. Für diese Ausnahme trägt der Mitarbeiter die Darlegungs- und Beweislast.

Unternehmen, die einen freien Mitarbeiter beschäftigt haben, dessen Arbeitnehmerstatus rückwirkend festgestellt wird, haben daher in aller Regel einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Rückzahlung des Teils des Honorars, der die übliche Arbeitsvergütung übersteigt. Laut Bundesarbeitsgericht muss sich der Arbeitgeber bei der Berechnung seines Rückforderungsanspruchs allerdings nicht nur die übliche Arbeitsvergütung, sondern auch die hierauf entfallenden Arbeitgeberanteile am Gesamtsozialversicherungsbeitrag anrechnen lassen.

§ 814 des Bürgerlichen Gesetzbuches steht dem Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers nur entgegen, wenn der Arbeitgeber positive Kenntnis davon hatte, dass es sich um einen Arbeitnehmer und keinen freien Mitarbeiter handelt. Die Anforderungen an die positive Kenntnis des Arbeitgebers sind hoch. Der Arbeitgeber muss laut Bundesarbeitsgericht wissen, dass er nach der Rechtslage nichts schuldet. Zweifel des Arbeitgebers an der Einordnung des Vertragsverhältnisses reichen nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn die Unkenntnis des Arbeitgebers von der zutreffenden Rechtslage auf grober Fahrlässigkeit beruht.

Solche Rückforderungsansprüche verjähren innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Nach dem Bundesarbeitsgericht beginnt die Verjährung in solchen Fällen grundsätzlich erst in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmerstatus rechtsbeständig geklärt ist.

Wenn Sie Fragen hierzu haben, sprechen Sie uns gerne an.

 
Bettina Steinberg          Dr. Mona Geringhoff          Lydia Voß

 

 

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