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Anhörung zur Verdachtskündigung bei kranken oder sonstwie abwesenden Arbeitnehmern - gerade in Zeiten von CORONA eine interessante Frage

Wenn in einem Unternehmen ein Arbeitnehmer verdächtig ist, eine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen zu haben, müssen Sie den Arbeitnehmer bekanntlich anhören, bevor Sie eine Verdachtskündigung aussprechen.

Wie Sie aus unseren früheren Berichterstattungen wissen, kommt eine Verdachtskündigung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer verdächtig ist, eine so schwerwiegende Pflichtverletzung begangen zu haben, dass ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung (§ 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches) besteht.
 
Bei einer Verdachtskündigung geht es daher in erster Linie um fristlose Kündigungen.

Bei einer fristlosen Verdachtskündigung müssen Sie sich in doppelter Hinsicht sputen:

  • Sie müssen den Arbeitnehmer grundsätzlich spätestens eine Woche, nachdem Sie von den Vorwürfen Kenntnis erlangt haben, zu Ihren Verdachtsmomenten anhören. 
  • Sie müssen die fristlose Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach der Anhörung aussprechen. 

Aber was ist, wenn der Arbeitnehmer krank ist?
 
Den aktuellen Diskussionsstand möchten wir folgendermaßen für Sie zusammenfassen:

  1. Die bloße Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist kein Grund, mit dessen Anhörung zuzuwarten. Vielmehr ist es auch bei einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Ihre Aufgabe, den Anhörungsprozess durch Einladung zum Personalgespräch oder durch eine schriftliche Anhörung einzuleiten (vgl. Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2019, Az.: 3 Sa 1077/18). 
  2. Da kranke Arbeitnehmer Ihrer Einladung zu einem Personalgespräch in der Regel nicht folgen, sollten Sie kranke Arbeitnehmer von vorneherein schriftlich anhören. Bei einer schriftlichen Anhörung muss die dem Arbeitnehmer gesetzte Frist ausreichend sein. Die Länge der Frist bestimmt sich nach der Komplexität des dem Arbeitnehmer zur Last gelegten Vorwurfs. Je komplexer der Vorgang, desto länger sollte auch die Frist sein. 
  3. Erklärt der kranke Arbeitnehmer Ihnen dann, dass er sich aus gesundheitlichen Gründen auch nicht schriftlich äußern kann, gilt Folgendes: 
  • Ist die Genesung des Arbeitnehmers absehbar, sollten Sie die Genesung abwarten.
  • Ist die Genesung nicht absehbar, können Sie von einer Anhörung absehen. Leider ist die Rechtsprechung nicht sehr präzise, wenn es um die Frage geht, ob die Genesung absehbar ist oder aber nicht.

Daher unser Tipp:
Wenn Sie einen kranken Arbeitnehmer anhören, sollten Sie Folgendes tun:

  • ihm eine angemessene Frist zur schriftlichen Stellungnahme setzen,
  • ihm sagen, dass er Ihnen innerhalb der Frist Bescheid geben soll, wenn er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht fristgerecht äußern kann und
  • ihn bitten, dass er Ihnen, wenn er sich schon nicht innerhalb der von Ihnen genannten Frist äußern kann, einen Termin nennen soll, bis zu dem er Stellung beziehen kann. Teilt der Arbeitnehmer Ihnen dann mit, dass er Ihnen auf absehbare Zeit keinen Termin nennen kann oder äußert sich der Arbeitnehmer gar nicht, können Sie überlegen, auf die Anhörung zu verzichten (vgl. dazu auch Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2014, Az.: 2 AZR 1037/12).

Nun gibt es gerade in der Corona-Krise ja nicht nur überproportional viele Krankheitsfälle.
Auch Arbeitnehmer, die in Quarantäne sind, die ihre Kinder zuhause betreuen müssen, stehen nicht für eine Anhörung „face-to-face“ zur Verfügung.

Neben der schriftlichen Anhörung könnte die Anhörung von Arbeitnehmern in Quarantäne oder im Homeoffice auch per Video erfolgen.

Im Falle einer Anhörung per Videokonferenz sollten Sie allerdings darauf achten, dass das Gespräch für den Arbeitnehmer unter zumutbaren Rahmenbedingungen und ausreichend vertraulich ablaufen kann (Mennemeyer, Dreymüller, NZA 2005, 382, 386; LAG Köln, Urteil vom 15.04.1997, 13 (2) Sa 812/96).
Der Arbeitnehmer muss in der Lage sein, sich zu den Vorwürfen frei und ungezwungen einzulassen bzw. sich wehren zu können. Dies ist zum Beispiel dann nicht mehr gewährleistet, wenn außenstehende Dritte anwesend sind (LAG Köln, aaO).
 
Dies bedeutet: „Platzt“ eine Dritte Person (z. B. Kinder, Freunde, Familienmitglieder) während der Videokonferenz in das Zimmer des Arbeitnehmers, sollten Sie die Anhörung kurzzeitig unterbrechen, bis diese Person den Raum wieder verlassen hat.
 
Das Video-Personalgespräch sollten Sie außerdem genauso wie ein gewöhnliches Personalgespräch, ausreichend protokollieren. Auch dürfen Sie einen Zeugen beiziehen – sollten aber darauf achten, dass das Gespräch innerhalb der Hierarchieebene vertraulich bleibt.

Fazit:
Eine Anhörung des Arbeitnehmers face-to-face oder zumindest per Video ist natürlich immer besser als eine schriftliche Anhörung. Denn auf eine schriftliche Anhörung kann sich der Arbeitnehmer besser und auch mit professioneller Hilfe vorbereiten.
 
Wenn Sie jede Diskussion um die Einhaltung der für fristlose Kündigungen maßgeblichen Fristen vermeiden möchten, sollten Sie die Anhörung trotzdem rechtzeitig schriftlich in die Wege leiten; das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen Arbeitnehmer nicht im Homeoffice arbeiten und nicht für einen Videocall zur Verfügung stehen müssen.

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