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Let’s do it – Fair Pay Teil 1

Mia und Fritz sind sauer. Die 15-jährigen Zwillinge erhielten bislang monatlich jeder 40 Euro Taschengeld, nach den Sommerferien wurde der Betrag stetig erhöht. Fritz ist großer Fußballfan, deshalb hat er außerdem eine Jahreskarte des örtlichen Bundesligisten, zu dessen Heimspielen er regelmäßig mit seinem Vater geht – Stadionwurst und Getränke inklusive. Mia hat daran kein Interesse, sie und ihre Mutter gehen während der Stadionbesuche der beiden Herren manchmal ein Eis essen.

Mia fordert „Fair Pay“
Mia findet das reichlich unfair und beruft den Familienrat ein: Sie möchte gerne einen finanziellen Ausgleich dafür haben, dass ihr Bruder so großzügig bedacht wird - schließlich kostet die Jahreskarte EUR 200. Alternativ solle Fritz das Taschengeld gekürzt werden, damit beide wieder gleich dastehen. Jetzt ist auch Fritz sauer.
Bei der Gelegenheit kommen dann gleich auch noch andere Themen auf den Tisch, die auf die Höhe des Taschengelds Einfluss haben sollen – oder eben nicht: Wer von den beiden mehr im Haushalt und im Garten hilft, mit der Oma die Einkäufe erledigt, den Hund ausführt und die besseren Noten nach Hause bringt. Dabei wird schnell klar, dass Mia das Gefühl hat, dass ihr Einsatz als selbstverständlich angesehen wird, „weil sie das Mädchen ist“, Arbeiten ihres Bruders, beispielsweise im Garten, aber als „außergewöhnlich anstrengend“ besonders belohnt werden.
Es entbrennt eine leidenschaftliche Diskussion. Am Ende ist man sich einig, dass der Status Quo nicht bleiben kann, aber eine in allen Augen gerechte Lösung zu finden, ist nicht einfach.

„Fair Pay“ – eine Herausforderung für Unternehmen
In Unternehmen sieht das Ganze ähnlich aus – auch hier müssen gerechte Systeme her, die für die Betroffenen nachvollziehbar sind.

„Fair Pay“ und Entgelttransparenz sind dabei die Stichworte, die auch die Arbeitsgerichte zunehmend beschäftigen. Rechtlicher Ausgangspunkt ist dabei die Behauptung von Betroffenen, aufgrund ihres Geschlechts für die gleiche oder eine gleichwertige Arbeit geringer vergütet zu werden als Beschäftigte des anderen Geschlechts.


ACHTUNG: Beweislastumkehr
Während normalerweise die Partei, die etwas fordert, alle für sie günstigen Tatsachen vortragen und beweisen muss, findet in solchen Fällen allerdings gem. § 22 AGG eine Beweislastumkehr statt: Haben Betroffene Indizien für eine (z. B.) geschlechtsbezogene Benachteiligung bewiesen, müssen Arbeitgeber umfassend dazu vortragen und beweisen, warum aus ihrer Sicht keine Diskriminierung vorliegt. Dass das viel Arbeit macht, können Sie sich denken. So war es auch in dem gerade vom LAG Baden-Württemberg am 19.06.2024 (Az.: 4 Sa 26/23) entschiedenen Fall, in dem eine Mitarbeiterin gestützt auf Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise in der EU) und §§ 3 I, 7 I EntGTranspG die Zahlung einer höheren, „kollegen-gleichen“ Vergütung geltend machte.

Das Gericht stellte fest, dass zur Bestimmung der Frage, ob Arbeit gleichwertig ist, Methoden der Arbeitsbewertung herangezogen werden können, wenn diese diskriminierungsfrei sind. Es urteilte aber eben auch: Der Arbeitgeber muss zur Widerlegung der Vermutung einer geschlechtsbasierten Diskriminierung vortragen und beweisen, dass eine festgestellte unterschiedliche Vergütung durch objektive Faktoren zu erklären ist. Und zwar für jeden einzelnen Bestandteil des Entgelts und nicht nur im Rahmen einer Gesamtbewertung. Dazu reicht es nicht aus, (zulässige) Differenzierungskriterien wie Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit oder Arbeitsqualität zu benennen – vielmehr muss im Einzelnen dargestellt werden, wie diese Kriterien gewertet und gewichtet werden und wie sich dies im konkreten Fall auswirkt.

Gelingt das nicht (wie im o.g. Fall), geht dies zu Lasten des Arbeitgebers – und er muss die Differenzvergütung zahlen.

Aus diesem (und anderen, ähnlichen) Urteilen lernen wir: Gehaltsdifferenzen müssen immer auch erklärt werden können. Und jede Erklärung muss von Anfang bis Ende „richtig“, d.h. diskriminierungsfrei, objektiv nachvollziehbar und auch im Einzelfall korrekt angewandt sein.

Gut beraten ist deshalb, wer in dieser Hinsicht gut aufgestellt ist. Das gilt im Übrigen auch deshalb, weil schon jetzt absehbar ist, dass die Anforderungen an die Entgelttransparenz in Unternehmen jeder Größenordnung steigen werden. In unserem Newsletter vom 24.05.2024 hatten wir bereits über die neue EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz berichtet. Danach werden einige Neuerungen auf Unternehmen zukommen (u.a. erweiterte Auskunftsrechte, unabhängig von der Größe des Betriebs / der Anzahl der Beschäftigten, und bezogen auf alle Entgeltbestandteile; Einführung eines Auskunftsrechts über Einstiegsgehälter im Bewerbungsverfahren, auch proaktiv; Verschärfung der Beweislast für Arbeitgeber bei Verstößen gegen die neuen Transparenzvorschriften).

Unser Rat ist deshalb: Analysieren, bewerten und gestalten Sie Ihr Entgeltsystem rechtssicher.

Ein objektiv faires und transparentes Entgeltsystem hat im Übrigen nicht nur rechtliche, sondern auch unternehmerische Vorteile – weniger Gehaltsdiskussionen und oft auch weniger Motivation, Betriebsräte zu gründen oder die Gewerkschaften auf den Plan zu rufen. Eine weitere gute Nachricht: Auch Leistung kann in solchen Systemen natürlich belohnt werden.

Grundlage für all das ist ein objektiv faires Arbeits- und Leistungsbewertungsverfahren, das auch losgelöst von Geschlechtsunterschieden Benachteiligungen ausschließt; denn mittlerweile häufen sich Gerichtsverfahren, in denen es um geschlechtsunabhängige Entgeltunterschiede geht. Und an solchen Arbeits- und Leistungsbewertungsverfahren hapert es teilweise noch.

Die Herausforderung besteht am Ende darin,

  • ein Bewertungssystem zu finden, dass zum Unternehmen passt,
  • das System in einen darauf basierenden, rechtskonformen Rahmen zu gießen, und
  • das Ganze möglichst geräuschlos in die Praxis umzusetzen. 

Ein Experte, der sich seit Langem mit der Entwicklung transparenter Vergütungssysteme und Leistungsentgelten unter dem Motto „Fair Pay“ befasst, ist Eckhard Eyer von Perspektive Eyer Consulting, mit dem wir seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Mit ihm gemeinsam werden wir Ihnen in den kommenden Wochen schrittweise die Themen Fair Pay und Entgelttransparenz näherbringen.

 

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