Macht hoch die Tür, die Tor macht weit – Neues zu Equal Pay zur Weihnachtszeit – der Deutsche Bank-Fall
Viel wurde (auch von uns) über Equal Pay, geschlechterbezogene Entgeltdiskriminierung, Auskunfts- und Zahlungsansprüche berichtet.
Dabei entstand bei vielen der Eindruck, dass Arbeitgeber Gehälter künftig nicht mehr frei verhandeln können, weil das Verhandlungsgeschick der Bewerber laut Bundesarbeitsgericht kein zulässiges Differenzierungskriterium sein soll. Wir sehen das nicht so schwarz – zumal die Aussage so apodiktisch auch nicht richtig ist.
So erklärt das LAG Hessen Arbeitgebern in seiner gerade veröffentlichten Entscheidung vom 30.04.2024 (Az.: 4 Sa 1424/21), welche Türen für individuelle Gehaltsunterschiede Arbeitgebern aktuell und auch weiterhin offenstehen.
Beklagte in dem Verfahren war die Deutsche Bank, Klägerin eine Führungskraft mit einem jährlichen Einkommen von insgesamt etwa EUR 220.000,00. Sie verlangte Auskunft und Zahlung von Entgelt, weil sie sich gegenüber männlichen Kollegen schlechter behandelt fühlte. Nach Daimler nun also ein weiterer Großkonzern, der sich Diskriminierungsvorwürfen ausgesetzt sah.
Die Klägerin bekam allerdings weder das Eine (Auskunft), noch das Andere (Zahlung). Das Gericht begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Tätigkeit der Klägerin und die ihrer Kollegen nicht gleich und auch nicht gleichwertig sind. Und genau an dieser Stelle spielt die Musik – und es zeigt sich, dass es Arbeitgebern weiterhin möglich sein wird (natürlich unabhängig vom Geschlecht) im Rahmen der Vergütung zu differenzieren.
Die Klägerin in dem Deutsche Bank-Fall stütze sich mit ihrer Forderung vor allem auf ihre Position/Verantwortungsstufe und die damit einhergehende Funktionsbezeichnung. Das liegt auf der Hand – in Unternehmen jeder Größenordnung werden Beschäftigte sich mit denjenigen vergleichen (wollen), die auf der gleichen Hierarchiestufe angesiedelt sind wie sie selbst und/oder den gleichen Titel tragen.
Allerdings hat das LAG Hessen nun sehr klar gesagt: Allein damit ist wenig darüber gesagt, ob Tätigkeiten tatsächlich gleich oder gleichwertig sind und deshalb gleich vergütet werden müssen.
Anknüpfungspunkt des Entgelttransparenzgesetzes für die Feststellung der Gleichheit oder Gleichwertigkeit sind die Faktoren „Art der Arbeit“, „Ausbildungsanforderungen“ und „Arbeitsbedingungen“. Wenn die Entgelttransparenzrichtlinie bis 2026 umgesetzt sein muss, werden es die Kriterien „Kompetenzen“, „Belastungen“, „Verantwortung“ und „Arbeitsbedingungen“ sein.
Auf der sicheren Seite sind Arbeitgeber dann, wenn sie innerhalb dieser Kriterien passende Differenzierungsmerkmale beschreiben (können), die unterschiedliche Gehälter in auf den ersten Blick vergleichbaren Positionen erklären können. Wenn dies dann auch noch dokumentiert ist (was in Zukunft unumgänglich sein wird), umso besser! In dem Fall der Deutsche Bank-Mitarbeiterin gab das Kriterium der Verantwortung den Ausschlag: Denn darunter fällt auch Personalverantwortung, wie das LAG Hessen sehr deutlich herausstellt. Und wenn die Personalverantwortung durch die Anzahl der unterstellen Mitarbeiter voneinander abweicht, liegt schon keine vergleichbare Tätigkeit mehr vor. Das macht auch Sinn: Es ist etwas anderes, ob jemand Personalverantwortung für 5, 20, 100 oder noch mehr Beschäftigte hat.
Hier – und auch an anderen Stellen – sind Differenzierungen weiterhin möglich.
Und damit sind wir beim Punkt: Die Kunst wird (weiterhin) darin bestehen, das Vergütungssystem einerseits transparent zu machen. Andererseits können und sollten Arbeitgeber Differenzierungskriterien finden und dokumentieren, die Ihnen sowohl in Standardfällen als auch bei individuellen Abweichungen helfen, Gehälter zu erklären.
Und damit wären wir wieder beim Verhandlungsgeschick, das besonders in gehobenen Positionen zu Buche schlägt. Das Geschick ist nämlich auf der Seite der Arbeitgeber gefragt: In wenigen Fällen sind Tätigkeiten in höheren Ebenen tatsächlich gleich oder gleichwertig – weshalb sie in der Praxis unterschiedlich vergütet werden und werden dürfen. Um dies zu erklären, reicht es aber gerade nicht aus, wenige starre Kriterien auf diese Positionen anzuwenden. Vielmehr ist es erforderlich und ratsam, im Vergütungssystem in die Breite und die Tiefe zu differenzieren und auch einige (Ermessens-)Spielräume offenzulassen. Das ermöglicht es Ihnen dann nämlich besser, Vergütungsunterschiede abzubilden und zu rechtfertigen. Dann hat man auch wieder Verhandlungsspielraum.
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!
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