Schwerbehinderte Menschen im Bewerbungsprozess (Teil 3):
BAG bestätigt – Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige reicht nicht aus
in unserem Newsletter vom 29.08.2024 ging es um eine Entscheidung des LAG Düsseldorf. Das LAG Düsseldorf hatte entschieden, dass Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX verpflichtet sind, die Agentur für Arbeit frühzeitig über zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren und mit der Vermittlung schwerbehinderter oder gleichgestellter Beschäftigter zu beauftragen. Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige – etwa in der Jobbörse der Arbeitsagentur – genügt dafür nicht.
Diese Rechtsauffassung hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Mitte der Woche im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Az.: 8 AZR 123/24) nun bestätigt.
Was war passiert?
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich im Sommer 2021 auf eine bei der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Stelle beworben. Seine Bewerbung enthielt bereits einen Hinweis auf die Schwerbehinderung. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner Bewerbung fand aber nicht statt: Die Beklagte hatte bereits vor Eingang seiner Bewerbung eine Auswahlentscheidung getroffen. Zwar war die Stelle noch online, die Entscheidung war jedoch intern längst gefallen. Ein Vermittlungsauftrag an die Agentur für Arbeit war nicht erteilt worden.
Die Entscheidung des BAG
Das BAG folgte der Argumentation des Klägers: Wer lediglich eine Stellenanzeige online stellt, erfüllt nicht die gesetzliche Pflicht zur frühzeitigen Unterrichtung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Vielmehr muss aktiv ein Vermittlungsauftrag an die Agentur für Arbeit erteilt werden. Fehlt dieser, liegt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor.
Die Folge: Nach § 22 AGG wird die Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermutet. Der Arbeitgeber hätte nun beweisen müssen, dass allein objektive, leistungsbezogene Kriterien zur Ablehnung geführt haben – was ihm nicht gelang.
Warum ist das wichtig?
Das Urteil bestätigt: Arbeitgeber können ihre Pflichten im Bewerbungsverfahren schwerbehinderter/gleichgestellter Menschen nicht bloß „technisch“ durch eine Veröffentlichung in der Jobbörse erfüllen. Entscheidend ist eine aktive Einbindung der Agentur für Arbeit. Fehlt diese, drohen Entschädigungsansprüche nach dem AGG – unabhängig davon, ob der Bewerber fachlich überhaupt geeignet war.
Unsere Empfehlung:
➡️ Überprüfen Sie Ihre Stellenbesetzungsverfahren: Wird die Agentur für Arbeit tatsächlich aktiv eingeschaltet oder nur „passiv“ informiert?
➡️ Erteilen Sie einen echten Vermittlungsauftrag – idealerweise dokumentiert.
➡️ Berücksichtigen Sie schwerbehinderte Bewerber sorgfältig – insbesondere vor einer endgültigen Auswahlentscheidung.
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