Hände weg vom automatischen Pausenabzug
Am 13.09.2022 (Az.: 1 ABR 22/21) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Arbeitgeber gemäß § 3 Absatz 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (!) verpflichtet sind, die von ihren Beschäftigten täglich geleistete Arbeitszeit aufzuzeichnen (siehe auch unseren Beitrag vom 05.12.2022).
Seither haben viele Unternehmen ein elektronisches Zeiterfassungssystem eingeführt.
Bei einigen dieser Systeme werden die gesetzlichen Pausenzeiten automatisch abgezogen („automatischer Pausenabzug“).
Allerdings schadet der automatische Pausenabzug mehr als er nutzt.
Das hat nun auch das BAG in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 12.02.2025 (Az.: 5 AZR 51/24) bestätigt.
In dem Fall ging es um eine Ärztin, die von ihrem Arbeitgeber (einem Klinikum) die Bezahlung von Überstunden verlangte, weil sie viele Pausen durchgearbeitet hatte.
In der elektronischen Zeiterfassung konnte man das nicht erkennen. Das elektronische Zeiterfassungssystem des Klinikums sah – gestützt durch eine Betriebsvereinbarung – nämlich (alternativ zur gestempelten Pause) einen automatischen Pausenabzug vor.
Aufgrund des automatischen Pausenabzugs wusste das beklagte Klinikum nicht, wann tatsächlich Pausen in Anspruch genommen wurden und wann nicht.
Und genau das ist ein Problem für Arbeitgeber, die einen automatischen Pausenabzug praktizieren. Wir zitieren das BAG:
„Konkreten Vortrag zu den Arbeiten, die sie der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen, zu welchen Zeiten die Klägerin tatsächlich nicht gearbeitet haben soll, weil sie Pausen in Anspruch genommen habe, hat die Beklagte nicht gehalten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) genügt nicht, denn hierbei handelt es sich um Tatsachen, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten waren. Sie weiß als Arbeitgeberin, welche Aufgaben sie der Klägerin in Ausübung ihres Weisungsrechts (§ 106 GewO) zu welchen Zeiten innerhalb ihres Aufgabenbereichs zugewiesen hat. Der automatische Abzug von Pausenzeiten ersetzt nicht den Tatsachenvortrag zur Gewährung und Inanspruchnahme der Pausen. Damit gilt der Sachvortrag der Klägerin, sie habe auch während der Festpausenzeit gearbeitet, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.“
Die Ärztin ging sogar noch einen Schritt weiter und argumentierte, dass das Klinikum ihre Überstunden durch den automatischen Pausenabzug gebilligt habe. Dem hat das BAG allerdings widersprochen.
Wieder möchten wir das BAG wörtlich zitieren:
„Entgegen der Auffassung der Revision folgt eine Billigung der Mehrarbeitsleistung jedoch nicht bereits daraus, dass für die Beklagte durch die Zeiterfassung erkennbar war, wann bei der Klägerin ein automatischer Pausenabzug erfolgte. Denn dem automatischen Pausenabzug lässt sich nicht entnehmen, ob die Klägerin die Arbeit tatsächlich für eine Pause unterbrochen oder ohne Inanspruchnahme einer Pause durchgearbeitet und damit im Ergebnis Mehrarbeit geleistet hat.“
Nun liegt die Sache wieder beim Landesarbeitsgericht (LAG) Saarland, damit geprüft werden kann, ob die Überstunden vom Klinikum veranlasst worden sind.
Aufgrund der von der Klägerin geschilderten besonderen Situation in ihrer Station dürfe das LAG hier allerdings keine überzogenen Anforderungen an den Vortrag der Klägerin stellen:
„Das hat zur Folge, dass die Klägerin – anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen – nicht für jeden einzelnen Tag der Mehrarbeit die Umstände der arbeitgeberseitigen Veranlassung konkret aufzuzeigen hat. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn sie unter Berücksichtigung der besonderen Situation der neurochirurgischen Station im Klinikum darlegt, dass aufgrund der Übertragung sich wiederholender Tätigkeiten und Aufgaben, wie bspw. Operationen, typischer Abläufe oder der Übertragung besonderer Aufgaben, die geltend gemachte Mehrarbeit durch ihre Vorgesetzten angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde oder zumindest zur Erledigung der geschuldeten Aufgaben ohne die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer Pause erforderlich war.“
However – der Fall zeigt, dass ein automatischer Pausenabzug kontraproduktiv ist.
Nicht nur, dass Arbeitgeber mit einem automatischen Pausenabzug ihre Aufzeichnungspflicht nicht erfüllen können.
Auch das Risiko, dass Arbeitgeber hinterher mit Ausgleichsforderungen für tatsächlich nicht in Anspruch genommene Pausen konfrontiert werden, ist beim automatischen Pausenabzug unberechenbar.
Deshalb sollten Unternehmen den automatischen Pausenabzug abschaffen.
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