Arbeitsgerichte werden beim Urlaub kreativ!
Aktuelles aus einer Güteverhandlung vor einem deutschen Arbeitsgericht:
Nach einer Kündigung, deren Kündigungsfrist noch nicht abgelaufen ist, wurde über einen Abfindungsvergleich verhandelt. Schon im Vorfeld des Gütetermins hatte sich ergeben, dass eine Verständigung schwer werden würde: Die Gegenseite forderte eine Abfindung sowie eine (fast genauso hohe) Urlaubsabgeltung; unsere Mandantin war zwar vergleichsbereit, nicht jedoch in dieser Größenordnung.
Das Problem: Im Gegensatz zur Abfindung, die sozialversicherungsfrei gewährt werden kann und (zumindest in der Regel) keine Auswirkung auf den Arbeitslosengeldanspruch hat, ist der Urlaubsabgeltungsanspruch sozialversicherungspflichtig und führt zum (vorübergehenden) Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Und auch steuerlich können Beschäftigte Vorteile von einer Abfindungszahlung haben.
Wenn man sich also zwischen Urlaubsabgeltung und Abfindungszahlung entscheiden müsste, wäre – vor allem für die Arbeitnehmerseite – die Abfindung die bessere Wahl.
Allerdings ist das Leben bekanntermaßen kein Wunschkonzert.
Das ergibt sich auch aus der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 03.06.2025, Az.: 9 AZR 266/24), das entschieden hat:
Beschäftigte können während des Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht wirksam auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub verzichten, auch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs.
Hierüber hatten wir in unserem Beitrag vom 03.06.2025 berichtet.
Damit hat das BAG gleichzeitig mit einer weit verbreiteten Praxis bei Trennungsvergleichen Schluss gemacht: Gerade in Fällen, in denen aufgrund Langzeiterkrankung, Elternzeit o. ä. noch viele Urlaubstage bestehen, wurde bis dahin nämlich oft (sinngemäß) vereinbart:
„Die Parteien sind sich darüber einig, dass der Arbeitnehmer die ihm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zustehenden Urlaubsansprüche bereits tatsächlich in natura in Anspruch genommen hat.“
Wir Juristen nennen das den sogenannten Tatsachenvergleich.
Bestehen die Urlaubsansprüche aber unstreitig (und das war auch hier der Fall), hilft ein solcher Tatsachenvergleich seit der Entscheidung des BAG vom 03.06.2025 nicht mehr.
Möglich ist in solchen Fällen lediglich, Beschäftigte in einem Vergleich sozusagen auf den gesetzlichen Mindesturlaub zu setzen (der darüberhinausgehende Mehrurlaubsanspruch ist nämlich verzichtbar). Ist der Mindesturlaub bereits in Anspruch genommen worden, kann also wirksam vereinbart werden, dass weitergehende Urlaubsansprüche nicht bestehen.
Bleibt das Problem mit dem Mindesturlaub. Denn auch hier kann sich (insbesondere bei Langzeiterkrankungen und Elternzeiten) einiges ansammeln.
Einfacher ist es, wenn das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Vergleichs bereits beendet, die Kündigungsfrist also schon abgelaufen ist. Denn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Beschäftigte wirksam auf die ihnen dann zustehende Urlaubsabgeltung verzichten, selbst wenn die Urlaubsabgeltung Mindesturlaub beinhaltet.
Deshalb hat das Gericht folgenden Vorschlag gemacht:
Die Parteien warten noch und schließen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Vergleich, in dem sie u. a. vereinbaren, dass
- auf den Urlaubsabgeltungsanspruch verzichtet, aber
- die geforderte Abfindung gezahlt wird.
Rechtlich eine saubere Sache, oder? Was meinen Sie dazu?
- Erstellt am .