Kiss-Cam, Coldplay und das Datenschutzrecht
Ein kurzer Moment auf der Leinwand, millionenfache Aufmerksamkeit im Netz – und ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre: Der aktuelle Kiss-Cam-Vorfall bei einem Coldplay-Konzert hat international für Aufsehen gesorgt. Während die Netzgemeinde hämisch kommentiert, stellt sich Datenschützern die Frage:
Wie ist ein solcher Fall nach deutschem Recht zu bewerten?
Rein rechtlich betrachtet sind solche Fälle keineswegs trivial. Vielmehr stehen sie im Spannungsfeld zwischen Veranstaltungsinteressen, Meinungs- und Pressefreiheit auf der einen Seite – und dem Datenschutzrecht sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen. Denn das solche Aufnahmen gravierende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Personen haben können, dürfte spätestens seit letzter Woche feststehen.
Klar ist: Sobald eine identifizierbare Person gefilmt oder fotografiert wird, liegt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vor. Das bedeutet, dass bereits die Aufnahme – unabhängig von einer späteren Veröffentlichung – eine Rechtsgrundlage benötigt. Häufig wird hier auf ein „berechtigtes Interesse“ nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO abgestellt, etwa zur Dokumentation oder Berichterstattung über die Veranstaltung. Dieses Interesse muss jedoch immer gegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen abgewogen werden. Und genau hier wird es bei Formaten wie der Kiss-Cam kritisch.
Hinzu kommen die Anforderungen des Kunsturhebergesetzes (KUG), das für die Veröffentlichung von Bildnissen maßgeblich bleibt. Und auch wenn das Kunsturhebergesetz (KUG) in § 23 Ausnahmen für Bilder von Veranstaltungen vorsieht, gelten diese nur bei Aufnahmen von Menschenmengen oder wenn Einzelpersonen nicht im Fokus stehen. Die gezielte Abbildung Einzelner – insbesondere in intimen oder emotionalen Momenten – fällt nicht darunter.
Damit ist die rechtliche Grundlage für solche Aufnahmen ohne Einwilligung äußerst fragil.
Eine Einwilligung in Bild- und Tonaufnahmen muss aber freiwillig, informiert und widerruflich sein. Sie kann ausdrücklich oder – unter engen Voraussetzungen – konkludent erfolgen. Doch überrascht wirkende, irritierte oder gar unangenehm berührte Reaktionen stellen das Gegenteil einer konkludenten Einwilligung dar.
Auch pauschale Hinweise in AGB oder auf Eintrittskarten genügen den Anforderungen der DS-GVO in aller Regel nicht – schon gar nicht bei gezielten Nahaufnahmen einzelner Personen.
Was heißt das konkret?
Die gezielte Darstellung einzelner Personen in einer privaten, emotionalen Situation – ohne vorherige Zustimmung und die anschließende öffentliche Verbreitung – sind nach deutschem Recht rechtswidrig.
Aufklärung, transparente Prozesse und ein sensibler Umgang mit Bildrechten sind nicht nur rechtlich geboten, sondern auch ein Zeichen von Respekt gegenüber dem Publikum.
Wer Emotionen zeigen will, darf Privatsphäre nicht verletzen.
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