Fehler beim Freiwilligkeitsvorbehalt - Arbeitsvertrag vs. Gehaltsabrechnung
Die Flexibilisierung von Vergütungsbestandteilen steht nach wie vor hoch im Kurs. Wer es einfach haben möchte, greift oft zum Freiwilligkeitsvorbehalt. Ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamm zeigt, wie einfach man den Freiwilligkeitsvorbehalt umsetzen kann und wie schwer es sich manche Unternehmen machen.
1. Die Historie des Freiwilligkeitsvorbehalts
Seine „Karriere“ begann der Freiwilligkeitsvorbehalt im Zusammenhang mit der betrieblichen Übung.
Eine betriebliche Übung entsteht bei Sonderzahlungen vor allem in folgendem Fall: Gewährt der Arbeitgeber allen oder einer Mehrzahl von Arbeitnehmern eine bestimmte Sonderzahlung 3 x in Folge, ohne dass er zu dieser Zahlung rechtlich verpflichtet ist, so erwächst den Arbeitnehmern hieraus ein vertraglicher Anspruch auf die Sonderzahlung auch für die Zukunft.
Das gilt allerdings nicht, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich erklärt, dass die Zahlung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolgt (sog. Freiwilligkeitsvorbehalt).
Weil das arbeitsrechtliche Gestaltungsmittel des Freiwilligkeitsvorbehalts so verlockend war (einerseits konnte man dem Arbeitnehmer den Himmel auf Erden versprechen, andererseits konnte man sich mit Hilfe des Freiwilligkeitsvorbehalts am Stichtag noch aus der Affäre ziehen und auf den Freiwilligkeitsvorbehalt berufen) beschränkte sich sein Anwendungsbereich schnell nicht mehr nur darauf, eine betriebliche Übung zu verhindern.
Freiwilligkeitsvorbehalte wurden standardmäßig in den Arbeitsvertrag aufgenommen.
Die Beschäftigten wollten sich allerdings nicht damit abfinden, dass ihnen arbeitsvertraglich eine Leistung in Aussicht gestellt wird, die sie dann doch nicht bekommen.
Und das rief in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf den Plan.
2. Die Probleme und Fehlerquellen beim Freiwilligkeitsvorbehalt
Im Laufe seiner Rechtsprechungsjahre hat das BAG die Anforderungen an arbeitsvertraglich vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte immer weiter verschärft.
Die Folge ist, dass viele arbeitsvertragliche Freiwilligkeitsvorbehalte unwirksam sind.
Hier eine Auflistung der häufigsten Fehler:
- Die Formulierung, dass der Arbeitgeber beispielsweise das Weihnachtsgeld freiwillig leiste, genügt nicht. Denn freiwillig heißt noch lange nicht, dass eine Zahlung ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolgt.
- Auch arbeitsvertragliche Regelungen über Sonderzahlungen, die Beschäftigten im ersten Satz diese oder jene Sonderzahlung in Höhe von EUR xy versprechen und erst im nächsten Satz einen Freiwilligkeitsvorbehalt hinzufügen, sind unwirksam.
- Unwirksam sind ferner Formulierungen, wonach der Arbeitgeber eine freiwillige und jederzeit widerrufliche Leistung gewährt. Denn Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt sind zwei verschiedene Paar Schuhe, die sich ausschließen.
- Ebenso wenig dürfen Arbeitgeber Klausen verwenden, die jedwede zusätzliche Leistungen und damit auch zusätzliche laufende Zahlungen mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt belegen. Denn bei laufenden Zahlungen kommt nur ein Widerrufsvorbehalt in Betracht.
- Aus der Vereinbarung muss sich last, but not least ergeben, dass sich der Freiwilligkeitsvorbehalt nicht auf (spätere) Individualabreden bezieht.
Hohe Hürden, an denen viele Arbeitsverträge auch heute noch scheitern.
3. Die Alternative
Das LAG Hamm hat Arbeitgebern in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 30.01.2025 (Az.: 15 SLa 925/24) eine Alternative zu solch fehleranfälligen vertraglichen Regelungen aufgezeigt – nämlich indem man in der Gehaltsabrechnung hinter der Sonderzahlung vermerkt, dass sie ohne Rechtsanspruch für die Zukunft erfolgt.
Auch im entschiedenen Fall war es nämlich so, dass der arbeitsvertraglich vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalt unwirksam war. Da der Arbeitgeber aber zusätzlich jedes Jahr einen wirksamen Vorbehalt in der Gehaltsabrechnung erklärt hatte, war er (trotz der unwirksamen vertraglichen Regelung) nicht zur Zahlung verpflichtet.
Das ist aber noch nicht alles: Arbeitgeber können einen solchen Freiwilligkeitsvorbehalt in der Gehaltsabrechnung zusätzlich mit Auszahlungsbedingungen versehen, die normalerweise vereinbart werden müssen. Im entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber in der Lohnabrechnung neben ohne Präjudiz für die Zukunft (wir finden ohne Rechtsanspruch für die Zukunft besser) auch eine Kürzung gemäß § 4a EFZG (= Entgeltfortzahlungsgesetz) vermerkt. Eigentlich muss diese vereinbart werden. Aber die Hammer Landesarbeitsrichter haben entschieden:
„Einer vorherigen Vereinbarung bedarf es insoweit nicht, weil auch die Sonderzahlung nicht vereinbart ist und deshalb ein Anspruch bis zu Zahlung des Arbeitgebers ohnehin nicht bestand (vgl. BAG vom 07.08.2002 – 10 AZR 709/01 – Rdnr. 23; […]).“
Für diejenigen, die die Lohnabrechnung mit DATEV machen: Bei DATEV wissen wir, dass solche Zusätze in Gehaltsabrechnungen möglich sind.
Wenn Ihr Abrechnungsprogramm das nicht hergibt, können Sie den Beschäftigten freilich auch ein Schreiben (Textform reicht) zukommen lassen, in dem Sie Ihre Sonderzahlung unter einen (richtig formulierten) Freiwilligkeitsvorbehalt stellen und legitime Auszahlungsbedingungen hinzufügen.
Wichtig ist nur, dass das Schreiben die Beschäftigten vor oder mit der Auszahlung erreicht und Sie sich einen Zugangsnachweis geben lassen.
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