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Urlaubsanspruch ohne Ende – Wenn die Vertragsklausel zum Risiko wird

Können ein paar Worte im Arbeitsvertrag Zehntausende Euro kosten? 
Ja – ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 15.07.2025 – 9 AZR 198/24) macht deutlich, wie schnell unbedachte Vertragsklauseln zu hohen Zahlungsansprüchen führen können. 
 
Was war passiert?
 
Arbeitgeber und Arbeitnehmerin schlossen einen Arbeitsvertrag, der unter der Überschrift „Urlaub“ unter anderem die folgende Formulierung enthielt:
 
„Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr erfolgt nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person der Mitarbeiterin liegende Gründe dies rechtfertigen. Der so übertragene Urlaub verfällt, wenn er nicht innerhalb der ersten vier Monate des Folgejahres (Übertragungszeitraum) genommen wird. 
Ist die Mitarbeiterin infolge einer ärztlich nachgewiesenen, krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit daran gehindert, den übertragenen Urlaub bis zum 30. April des Folgejahres zu nehmen, besteht der Urlaubsanspruch auch über den Übertragungszeitraum hinaus fort, allerdings maximal bis zur Höhe des noch bestehenden gesetzlichen Urlaubsanspruchs.“
 
Der Arbeitgeber war vermutlich der Auffassung, damit im Wesentlichen die derzeit gültige Rechtslage abzubilden:

  • Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
    ➡️ Das entspricht (bekanntermaßen) dem Gesetz.

  • Urlaub, der nicht bis zum 30.04. des Folgejahres genommen war, sollte grundsätzlich verfallen.
    ➡️ Hierin steckt eine kleine Besserstellung im Vergleich zur gesetzlichen Regelung, die eine Übertragung „nur“ bis zum 31.03. vorsieht.

  • Die Begrenzung auf den 30.04. gilt nicht für langzeiterkrankte Beschäftigte; zumindest mit Blick auf den gesetzlichen Mindesturlaub.
    ➡️ Angesichts der Rechtsprechung des BAG, wonach gesetzliche Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung erst 15 Monaten nach dem Urlaubsjahr erlöschen, wollte der Arbeitgeber die Regelung vermutlich absichern, um nicht das Risiko einer unwirksamen Klausel einzugehen.

Das Ergebnis – über das Ziel hinausgeschossen:
Die Formulierung des letzten Punktes führte nach Auffassung des BAG nicht – wie wohl beabsichtigt – zu einer rechtssicheren Anpassung an die 15-Monatsfrist, sondern zu einem vollständigen Ausschluss des Verfalls bei Krankheit; zumindest für den gesetzlichen Mindesturlaub. Damit bestand der Urlaub zeitlich unbegrenzt fort und musste bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vollständig in Geld abgegolten werden.
 
Im Falle der Arbeitnehmerin, die jahrelange (genauer: in den Jahren 2016 bis 2021) arbeitsunfähig war, summierte sich dieser Anspruch auf 144 Urlaubstage im Wert von rund EUR 17.000.
 
Die Lehre für die Praxis:

➡️ Schon kleine Abweichungen vom Gesetz können weitreichende Folgen haben.

➡️ Gut gemeinte Formulierungen bergen die Gefahr, Beschäftigten deutlich mehr zuzugestehen als gesetzlich erforderlich und tatsächlich gewollt.

➡️ Vertragsklauseln sollten stets von Fachleuten entworfen oder geprüft werden.
 
Arbeitsverträge gehören in die Hände von Profis – wer eigenmächtig an Formulierungen schraubt, läuft Gefahr, sich langfristig teure Verpflichtungen einzuhandeln.

 

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