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Kündigung ohne Schriftform? BAG schafft Klarheit für Auslandskündigungen

Gerade in Unternehmen mit ausländischen Konzernmüttern fehlt es häufig am Verständnis für das deutsche Schriftformgebot bei Kündigungserklärungen. Nach § 623 BGB müssen Kündigungen in Deutschland zwingend schriftlich („wet-ink“) erfolgen – mündliche oder elektronische Erklärungen sind unwirksam.
 
Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch bereits mit Urteil vom 22.08.2024 (2 AZR 251/23) entschieden, dass Kündigungen, die vom Ausland aus ausgesprochen werden, nicht zwingend der deutschen Schriftform unterliegen.
Maßgeblich ist vielmehr das Recht des Ortes, an dem die Kündigung erklärt wird; und zwar unabhängig davon, welches Recht im Übrigen anwendbar ist. Für ältere Arbeitsverträge ergibt sich das aus Art. 11 EGBGB a.F., für neuere Verträge aus Art. 11 Rom I-VO. 
Wird eine Kündigung also beispielsweise von Chicago aus per E-Mail übermittelt, gelten die dortigen Formerfordernisse – und das US-Recht kennt kein Schriftformerfordernis.
 
Diese Linie hat das BAG nun mit mehreren Entscheidungen vom 18.06.2025 (u.a. 2 AZR 97/24 (B) ausdrücklich bestätigt.
 
Kündigungsfristen: deutsches Recht bleibt anwendbar
Besonders hervorzuheben ist, dass das BAG zugleich klargestellt hat:
Für die Dauer der Kündigungsfrist gilt deutsches Recht (§ 622 Abs. 2 BGB). 
Diese Vorschrift ist nach Auffassung des Gerichts eine „zwingende Bestimmung“ im Sinne des internationalen Privatrechts und bleibt deshalb anwendbar (Art. 30 EGBGB a.F., bzw. Art. 8 Rom I-VO). Selbst wenn die Parteien – wie hier – US-amerikanisches Recht gewählt haben, kann der Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden. 
 
Das bedeutet: Während die Form der Kündigung nach dem Recht des Erklärungsorts beurteilt wird, richtet sich die Frist nach deutschem Recht.
 
Besonderheit: Klagefrist
Unverändert bleibt allerdings: Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG beginnt nur zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer eine Kündigung in Schriftform zugeht. Geht ihm die Kündigung z. B. per E-Mail aus den USA zu, läuft diese Frist nicht an – der Arbeitnehmer kann die Wirksamkeit auch später noch gerichtlich überprüfen lassen. 
Für Arbeitgeber bedeutet dies: Auch wenn eine formlose Kündigung im Einzelfall nach ausländischem Recht wirksam sein kann, entsteht durch fehlende Schriftform ein erhebliches Prozessrisiko in Deutschland.
 
Konsequenz für die Praxis
Formlose Kündigungen aus dem Ausland können im Einzelfall wirksam sein. Arbeitgeber müssen aber bei der Berechnung der Kündigungsfrist die deutschen Fristenregelungen nach § 622 BGB beachten – und für den Fristbeginn nach § 4 KSchG bedenken, dass nur eine schriftliche Kündigung die Dreiwochenfrist auslöst. 
 
Empfehlenswert bleibt es daher, Kündigungen auch in internationalen Konstellationen immer schriftlich zu erklären, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und einheitliche Standards sicherzustellen.

 

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