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Betriebsbedingte Kündigung: Rechtsempfinden kontra Recht

Manchmal wird Recht anders empfunden, als es ist. So auch bei betriebsbedingten Kündigungen.
 
Ausgangspunkt:
Ein Unternehmen in der wirtschaftlichen Krise möchte Personal abbauen und sprach uns an.
 
Das Gespräch (in Kurzfassung):
Der Geschäftsführer: Wir schreiben seit drei Jahren rote Zahlen und schaffen trotz unglaublichem Engagement und vieler Überstunden aller Beschäftigten den Turnaround nicht. Daher müssen wir jetzt einigen Beschäftigten betriebsbedingt kündigen …
 
Meine Antwort: Nach dem Kündigungsschutzgesetz kommt es nicht darauf an, ob Sie rote oder schwarze Zahlen schreiben. Entscheidend ist, dass dauerhaft Arbeit wegfällt.
Nun sagen Sie ja, dass alle Beschäftigten Überstunden machen. Einen Wegfall von Arbeit werden wir so nicht begründen können. Wir müssen uns daher gemeinsam anschauen, wie wir das Unternehmen so umstrukturieren können, dass Arbeit wegfällt. Sicher wird es hier Lösungen geben. Denn wenn die Umsätze trotz des großartigen Engagements aller Beschäftigten schlecht bleiben, wird es dafür ja Gründe geben, und genau da müssen wir ran.
 
Zur Demonstration der Rechtslage drehte ich den Fall anhand zweier aktueller Urteile um:
Stellen Sie sich einen funktionieren Betrieb vor, der stillgelegt wird, weil der Kunde weggefallen ist oder der Mietvertrag nicht verlängert wird.
Für das Arbeitsgericht ist nicht entscheidend, dass Sie noch andere Auftraggeber haben (LAG Köln, Urteil vom 20.03.2025, Az.: 8 SLa 310/24) oder einfach nur hätten umziehen müssen (LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 18.03.2025, Az.: 5 SLa 134/24).
Dass Sie in beiden Fällen hätten weitermachen können, weil die Betriebe funktionieren, ist egal. Kündigungsschutzrechtlich entscheidend ist, dass durch die Betriebsstilllegung die Arbeitsplätze der dort Beschäftigten auf jeden Fall wegfallen.
 
Das LAG Köln sagt in seinem Urteil wörtlich:
„Denn auch die Schließung eines funktionierenden Betriebs ist im Grundsatz von der Unternehmerfreiheit, Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG, geschützt (vgl. …). Es ist deshalb auch ohne Bedeutung, ob nach dem Wegfall des Hauptauftrags weitere Auftraggeber ihre Zusammenarbeit mit der Beklagten haben fortsetzen wollen.“
 
Und beim LAG Mecklenburg-Vorpommern heißt es:
„Aus welchen Gründen sich die Beklagte letztlich zur Schließung des Marktes entschieden hat, ist unerheblich. Ausschlaggebend ist allein, dass sie sich hierzu entschlossen und diese Entscheidung in die Tat umgesetzt hat, insbesondere durch Entlassung aller in dem Markt tätigen Arbeitskräfte. Mit der Schließung dieses Betriebs entfiel die Möglichkeit, die Klägerin dort zu den bisherigen oder ggf. zu geänderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen.“
 
Der Mandant hatte jetzt verstanden, worauf es kündigungsschutzrechtlich ankommt. Aus unternehmerischer Sicht kann er das allerdings nicht wirklich verstehen.

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