Kündigungsschutz Schwangerer – eine neverending Story
Unsere treue Leserschaft weiß, dass es rund um den Kündigungsschutz Schwangerer in der jüngeren Vergangenheit einige wichtige Entscheidungen gegeben hat:
- Schwangere haben laut BAG nicht schon mit dem positiven häuslichen Schwangerschaftstest, sondern erst ab ärztlicher Feststellung „Kenntnis“ von der Schwangerschaft. Daher läuft erst ab diesem Zeitpunkt die Frist für die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage, wenn die Schwangerschaft bereits bei Zugang der Kündigung bestand (unser Newsletter vom 10.06.2025).
- Es bleibt – selbst unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben – dabei:
Weiß der Arbeitgeber bei Ausspruch der Kündigung nicht, dass die Arbeitnehmerin schwanger ist, wird die 3-wöchige Klagefrist des § 4 S. 1 KSchG durch Zugang der Kündigung in Gang gesetzt. § 4 S. 4 KSchG (bei Kündigungen, die einer behördlichen Zustimmung bedürfen, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst ab der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer) findet in diesen Fällen keine Anwendung. Es wird durch die Regelungen in § 5 über die Zulassung verspäteter Klagen ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet (mehr dazu finden Sie ebenfalls in unser Newsletter vom 10.06.2025). - Der Beginn des Sonderkündigungsschutzes Schwangerer wird rechnerisch ermittelt. Das BAG rechnet dabei großzügig 280 Tage vom errechneten Geburtstermin zurück und nimmt bewusst in Kauf, dass damit Zeiten eingeschlossen werden, in denen das Bestehen einer Schwangerschaft zumindest höchst unwahrscheinlich (wenn nicht gar ausgeschlossen) ist. Darüber haben wir ebenfalls schon berichtet, und zwar in unserem Beitrag vom 01.03.2023.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich in seinem Urteil vom 17.04.2025 (Az.: 6 SLa 542/24) mit diesen Grundsätzen befasst und einen weiteren hinzugefügt:
- Das Kündigungsverbot des § 17 MuSchG setzt voraus, dass der Arbeitgeber
➡ bei Ausspruch der Kündigung Kenntnis von der Schwangerschaft hat
oder
➡ binnen zwei Wochen nach Zugang der Kündigung von der Schwangeren über das Bestehen der Schwangerschaft informiert wird
oder
➡ diese Information bei unverschuldeter Fristversäumnis unverzüglich durch die Schwangere nachgeholt wird.
WICHTIG und NEU: Die Kenntnis muss die Schwangerschaft betreffen, die zum Zeitpunkt der Kündigung besteht. Eine frühere Information über eine vorherige Schwangerschaft ist selbst dann nicht ausreichend, wenn sich die beiden Schwangerschaften (nahezu) nahtlos aneinander anschließen.
Der Sachverhalt, der dieser Entscheidung zugrunde liegt, war zugegebenermaßen ungewöhnlich:
Der Arbeitgeber wurde von einem positiven häuslichen Schwangerschaftstest der Klägerin in Kenntnis gesetzt. Diese Schwangerschaft endete jedoch vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung. Ob die Klägerin dem Arbeitgeber mitgeteilt hatte, dass die Schwangerschaft nicht mehr bestand, war zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin wurde jedenfalls – so viel steht fest – erneut schwanger.
Mit Blick auf diese neue Schwangerschaft berief sie sich auf das Kündigungsverbot, legte aber zunächst ein Attest vor, nach dem die Schwangerschaft (auch berechnet nach der „280-Tage-Methode“) erst drei Tage nach Zugang der Kündigung begonnen hatte.
Erst Wochen später wurde ein weiteres Attest erstellt, in dem der voraussichtliche Entbindungstermin 4 Tage früher bescheinigt war. Tatsächlich führte die vom BAG vorgeschriebene rechnerische Ermittlung des Schwangerschaftsbeginns deshalb dazu, dass die Schwangerschaft nach BAG-Rechnung einen (!) Tag vor Zugang der Kündigung begann. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt …
Aber: Über ebendiese Schwangerschaft informierte die Klägerin den Arbeitgeber erst vier Monate nach Ausspruch der Kündigung und damit viel zu spät. Für diese Verspätung lieferte die Klägerin auch keine ausreichende Begründung, weshalb sie sich auf das Kündigungsverbot des § 17 MuSchG nicht (mehr) berufen konnte.
Die Begründung der Klägerin, der Arbeitgeber habe doch von einer Schwangerschaft gewusst und hätte ihr deshalb nicht kündigen dürfen, ließ das LAG jedenfalls nicht gelten.
Das Kündigungsverbot setzt voraus, dass der Arbeitgeber von der im Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Schwangerschaft weiß; die Mitteilung über eine vorherige Schwangerschaft – auch wenn zwischen den beiden Schwangerschaften nur wenige Tage liegen – genügt nicht.
Unabhängig davon, dass nun zumindest obergerichtlich geklärt ist, „welche“ Schwangerschaft von der Kenntnis in § 17 MuSchG gemeint ist, zeigt das Urteil exemplarisch, welche Folgen die sehr großzügige Bestimmung des Beginns einer Schwangerschaft durch die Berechnungsmethode des BAG hat:
Im Rahmen der Beweiserhebung stellte nämlich einer der behandelnden Ärzte fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung biologisch gesehen nicht schwanger gewesen sein kann; allein die vom BAG vorgegebene Berechnungsmethode führte dazu, dass ein Kündigungsverbot bestanden hätte, hätte die Klägerin den Arbeitgeber rechtzeitig über die Schwangerschaft in Kenntnis gesetzt.
Alles nicht so einfach!
Deshalb gilt: Bleiben Sie informiert und sprechen Sie uns bei Fragen jederzeit an.
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