Konzeptlose Gehaltserhöhungen sind ein Problem – auch bei Führungskräften
Heute soll es einmal mehr um ungerechtfertigte Gehaltsunterschiede gehen.
Die meisten Arbeitgeber haben durch die medienwirksamen Urteile des BAG vom 16.02.2023 (Az.: 8 AZR 450/21), den Daimler-Fall des LAG Baden-Württemberg vom 01.10.2024 (Az.: 2 Sa 14/24) und den Deutsche-Bank-Fall des LAG Hessen vom 30.04.2024 (Az.: 4 Sa 1424/21) verstanden, dass geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede ein Problem sind.
Noch nicht überall angekommen ist, dass sich Vergütungen auch am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen müssen. Und zwar selbst dann, wenn es um Führungskräfte geht. Anders als Einige denken, gilt für Führungskräfte keine höhere „Zumutbarkeitsschwelle“ als für „normale“ Beschäftigte.
Deshalb sollte das gerade im Volltext veröffentlichte Urteil des LAG Düsseldorf vom 10.12.2024 (Az.: 3 SLa 318/24) allen Arbeitgebern eine Warnung sein.
Was war passiert?
Ein (großes) Unternehmen hatte ein Budget für Gehaltserhöhungen einer bestimmten Führungsebene aufgemacht.
Wer eine Gehaltserhöhung bekommt, sollten die jeweiligen Vorgesetzten entscheiden.
Hierbei wurden den Vorgesetzten keine Vorgaben gemacht.
Die Führungskräfte selbst hatten offenbar auch kein (kriterienbasiertes) Konzept für die Gehaltserhöhungen entwickelt. Jedenfalls hat/konnte das Unternehmen in dem Verfahren nichts dazu vortragen.
Und genau das wurde dem Unternehmen in dem von einer (wohl nicht sonderlich gut gelittenen) Führungskraft angestrengten Verfahren zum Verhängnis. Die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter entschieden nämlich, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann anwendbar ist, „wenn der Arbeitgeber – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien Leistungen erbringt (BAG vom 26.04.2023 – 10 AZR 137/22, juris, Rz. 22; BAG vom 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, juris, Rz. 25; BAG vom 27.04.2021 – 9 AZR 662/19, juris, Rz. 17)“.
Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach Meinung der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter im entschiedenen Fall eröffnet und verletzt.
Konkret – und das ist jetzt für alle Unternehmen wichtig – wirft das LAG Düsseldorf dem Arbeitgeber Folgendes vor:
- Den Vorgesetzten wurde freie Hand in Bezug auf die Personen, den Umfang sowie der Art der Gehaltserhöhung gelassen.
- Den Vorgesetzten wurden keine Vorgaben gemacht und keine Kriterien zur Bemessung der Gehaltserhöhung vorgegeben. Zwar schließe das nicht aus, dass die Vorgesetzten trotzdem sachgerechte Kriterien bei der Bemessung der Gehaltserhöhungen angewandt haben könnten. Allerdings sei dies aufgrund der Vorgehensweise des Unternehmens dem Zufall überlassen gewesen.
Deshalb und weil die Vorgesetzten offenbar selbst kein Konzept entwickelt hätten, sei die Verteilung nach Gutdünken erfolgt und der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt.
Die Idee des Unternehmens, dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz dadurch auszuweichen, dass die Vorgesetzten in ihrem Bereich Einzelfallentscheidungen treffen und das Unternehmen gerade keine abstrakten Kriterien anwandte, ging also nicht auf.
Und die Rechtsfolge?
Nach Meinung der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter muss in solchen Fällen eine Anpassung „ganz nach oben“ stattfinden. Ihrer Meinung nach kann der Kläger daher eine Erhöhung des Gehalts um den höchsten Prozentsatz verlangen, „um den die Beklagte eine Gehaltsanpassung bei einem leitenden Angestellten in den jeweiligen Streitjahren vorgenommen hat“.
Nur dann könne die gesetzeswidrige Ungleichbehandlung vollständig beseitigt werden.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das LAG Düsseldorf die Revision zum BAG zugelassen.
Unternehmen sind nicht aus dem Schneider, wenn betroffene Beschäftigte keine genaue Kenntnis von Gehaltsunterschieden haben. Dann steht ihnen nämlich ein Auskunftsanspruch gegen das Unternehmen zu. Diesen Auskunftsanspruch können sie im Wege der sogenannten Stufenklage geltend machen. Im konkreten Fall sah das so aus, dass die klagende Führungskraft gerichtlich beantragt hatte,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft zu erteilen über den jeweils höchsten Prozentsatz von durchgeführten Gehaltsanpassungen, die die Beklagte bei einem ihrer leitenden Angestellten in den Jahren 2019 bis 2023 vorgenommen hat;
- die Beklagte zu verurteilen, zugunsten des Klägers nach erteilter Auskunft die sich aus der Auskunft ergebenden Zahlungsbeträge abzurechnen und auszahlen.
Was lernen wir daraus?
- Unternehmen brauchen generell (und nicht nur für die Beseitigung geschlechtsspezifischer Gehaltsunterschiede) transparente und auf objektiven Kriterien basierte Vergütungssysteme.
Vorbild hierfür sollte die EU-Entgelttransparenzrichtlinie sein, die ohnehin bis zum 07.06.2026 in deutsches Recht umgesetzt werden muss. - Auch für Führungskräfte, ja sogar leitende Angestellte, gilt der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz.
Mehr zu diesem Thema?
Wir hatten im vergangenen Jahr fortlaufend über das Thema Entgelttransparenz, den Daimler- und den Deutsche-Bank-Fall berichtet. Mehr dazu finden Sie z. B. in unseren Beiträgen vom 16.07.2024, 26.08.2024, 15.10.2024, 19.11.2024 und 20.12.2024.
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