Zum Hauptinhalt springen
Blog durchsuchen

Blog

11. August 2025

Der Gesetzesentwurf zur erleichterten Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Rentnern ist da – ein Vergleich zwischen aktuellem und neuem Recht

Der Gesetzesentwurf zur erleichterten Befristung von Arbeitsverhältnissen mit Rentnern ist da – ein Vergleich zwischen aktuellem und neuem Recht

Die Bundesregierung hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem die befristete Weiterbeschäftigung von Rentnern ohne sachlichen Grund ausgeweitet werden soll.
Daneben befasst sich der Gesetzesentwurf mit der „Mütterrente“ sowie der Stabilisierung des Rentenniveaus.
 
Wir möchten uns heute mit den geplanten Neuregelungen zur befristeten Weiterbeschäftigung von Rentnern befassen. Denn die Bundesregierung möchte Unternehmen fortan die Möglichkeit geben, Beschäftigte, die die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht haben, ohne sachlichen Grund für maximal 8 Jahre (wobei jeder Vertrag maximal 2 Jahre dauern darf) befristet weiterzubeschäftigen.
 
Im Zentrum der geplanten Neuregelung steht also die sachgrundlose, befristete Weiterbeschäftigung von Rentnern bei ihrem bisherigen Arbeitgeber.
 
Zwar gibt es eine solche Möglichkeit nach § 41 Absatz 1 Satz 3 SGB VI heute schon.
Diese Möglichkeit ist aber mit mehreren Fallstricken behaftet:

  • Nach § 41 Absatz 1 Satz 3 SGB VI kann nur der bestehende Arbeitsvertrag mit Ablauf der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung befristet verlängert werden (ggfs. auch mehrfach).

  • Und mehr noch:
    ➡ Der bisherige Vertrag muss eine entsprechende Befristung auf das Regelrenteneintrittsalter enthalten (das ist nicht bei allen Verträgen der Fall).
    ➡ Die über die Regelaltersgrenze hinausgehende Befristung muss vor Erreichen der Regelaltersgrenze abgeschlossen werden.
    ➡ Die Arbeitsbedingungen dürfen anlässlich der Befristungsverlängerung nach herrschender Meinung nicht geändert werden (geändert werden können sie aktuell nur vorher oder nachher).

Demgegenüber erlaubt der Gesetzesentwurf den Abschluss neuer, sachgrundlos befristeter Verträge.
Hiernach könnten Sie also auch mit Rentnern, die erstmal ein paar Monate ihre Rente genossen haben, befristete Verträge abschließen, ohne dass Sie hierfür einen sachlichen Grund brauchen.
Außerdem können Sie im Zuge einer solchen Befristungsvereinbarung (wie Sie gleich sehen werden, sind auch mehrere neue befristete Verträge möglich) die Arbeitsbedingungen ändern.

Wie das im Einzelnen aussieht, haben wir in der nachfolgenden Übersicht für Sie zusammengestellt.

07. August 2025

Haftung von Beschäftigten bei Phishing-Mails – ein Fall aus der Praxis

Haftung von Beschäftigten bei Phishing-Mails – ein Fall aus der Praxis

Der Arbeitnehmer einer Mandantin fiel auf eine Phishing-Mail rein, was bei der Mandantin finanziellen Schaden anrichtete.
Wir wurden gefragt, ob der Arbeitnehmer den Schaden ersetzen muss.
Gerne möchten wir unsere Überlegungen mit Ihnen teilen:
 
Da die Phishing-Mail eine scheinbar dienstliche Mail war, gelten die Grundsätze zum innerbetrieblichen Schadensausgleich. Der innerbetriebliche Schadensausgleich ist ein viergliedriges Haftungssystem, das im Grundsatz Folgendes besagt:

  • Bei leichter Fahrlässigkeit haften Beschäftigte gar nicht.
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber aufgeteilt. Als Faustformel können Sie sich merken, dass der Schaden bei mittlerer Fahrlässigkeit in der Regel hälftig zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber geteilt wird. Je nach den Umständen des Einzelfalls kommt aber auch eine andere Verteilung bzw. Quotelung in Betracht.
  • Bei grober Fahrlässigkeit haften Beschäftigte in der Regel voll.
  • Bei Vorsatz haften Beschäftigte erst recht voll.

Ein wichtiges Kriterium beim innerbetrieblichen Schadensausgleich ist also der Verschuldensgrad. Dieser ist aber nur ein Kriterium bei der Arbeitnehmerhaftung. Ein weiteres ist die Schadenshöhe. Die Rechtsprechung sagt nämlich, dass auch bei mittlerer oder gar grober Fahrlässigkeit eine summenmäßige Haftungsbegrenzung in Betracht kommen kann. Darüber entscheiden wieder die Umstände des Einzelfalls, bei denen folgende Aspekte eine besondere Rolle spielen:

  • Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit,
  • evtl. Missverhältnis zwischen Gehalt und Schadenshöhe,
  • Versicherbarkeit der Risiken sowie
  • die persönlichen Verhältnisse der Beschäftigten (Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Familienverhältnisse und bisheriges Verhalten). 

In unserem Fall war es so, dass die Phishing-Mail täuschend echt gemacht war. Wir kamen daher zu dem Ergebnis, dass dem Arbeitnehmer vermutlich nur leichte, allenfalls mittlere Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann.
 
Eine Cyber-Versicherung (Stichwort: Versicherbarkeit des Risikos) hatte unsere Mandantin bislang nicht.
Deshalb, und weil es sich um einen sonst guten Mitarbeiter handelte, wurde kein Schadensersatz geltend gemacht.
 
Was lernen wir daraus?
➡ IT-Sicherheit und entsprechende Schulungen der Beschäftigten sind wichtig.
➡ Gute Cyber-Versicherungen sind ebenso wichtig. Idealerweise sollte eine Cyber-Versicherung abgeschlossen werden, die z. B. auch die Kosten für die Wiederherstellung von Daten, Betriebsunterbrechungen, Lösegeldforderungen bei Ransom-Ware-Angriffen, fehlerhaften Überweisungen etc. pp. übernimmt.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

05. August 2025

Der Streit um Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen – wie sollen Arbeitgeber damit umgehen?

Der Streit um Freistellungsklauseln in Arbeitsverträgen – wie sollen Arbeitgeber damit umgehen?

In vielen Arbeitsverträgen findet sich eine Regelung, die da sinngemäß lautet:
 
Die Arbeitgeberin ist berechtigt, den Arbeitnehmer nach Ausspruch einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberkündigung unter Fortzahlung der Arbeitsvergütung von der Arbeitsleistung freizustellen.
 
Seit Jahren wird darüber gestritten, ob eine solche Klausel wirksam ist.
Die einen sagen ja, die anderen sagen nein. Die Nein-Sager begründen das damit, dass es sich mit dem Beschäftigungsanspruch von Arbeitnehmern nicht verträgt, sie, so lange das Arbeitsverhältnis besteht, grundlos freizustellen.
 
„Nein“ zu einer solchen Freistellungsklausel hat auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 22.05.2025 (Az.: 5 SLa 249/25) gesagt. Da die Frage umstritten und noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, hat es die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG)zugelassen. Das Revisionsverfahren ist auch schon beim BAG anhängig, und zwar unter dem Aktenzeichen 5 AZR 108/25.
 
Nun werden sich viele fragen, warum das BAG nicht schon längst über eine solche, zuhauf vorkommende Klausel, von der ständig Gebrauch gemacht wird, entschieden hat.
 
Aufgrund unserer Erfahrungen können wir hierauf nur eine Antwort geben: Der Meinungsstreit ist nicht praxisrelevant. Und zwar deshalb nicht, weil die meisten Beschäftigten sich nach einer Kündigung sogar über ihre Freistellung freuen.
 
Wenn Arbeitgeber schon vor dem zu erwartenden BAG-Urteil in vorauseilendem Gehorsam hergingen und die Klausel um berechtigte Freistellungsgründe ergänzen, wäre das unter Umständen kontraproduktiv. Denn wenn der Arbeitgeber keinen der in der Klause genannten Freistellungsgrund hat, der Beschäftigte aber trotzdem freigestellt werden soll, könnte dem Beschäftigten das im Abfindungspoker nutzen.
 
Praktische Bedeutung hat das Thema Freistellung daher in erster Linie bei Beschäftigten mit Dienstwagen, die auch privat genutzt werden können.
In vielen Dienstwagenverträgen findet sich nämlich ebenfalls eine Regelung, wonach die Nutzung des Fahrzeugs u. a. bei einer Freistellung widerrufen werden kann.
Hier ist der Schmerz von Beschäftigten, die freigestellt werden, ungleich größer, wollen sie das Fahrzeug doch auch gerne während der Freistellung behalten.
 
Trotzdem würden wir eine solche „grundlose“ Freistellungsklausel beim Widerruf der Dienstwagennutzung nicht im vorauseilenden Gehorsam ändern.
 
Unser Praxistipp lautet vielmehr:
Überlegen Sie sich, ob Sie das Fahrzeug wirklich brauchen oder ob Sie auf den Widerruf der Nutzungsmöglichkeit verzichten, um den damit einhergehenden Streit über die Nutzungsentschädigung zu vermeiden.
 
Apropos Nutzungsentschädigung: In unserem Beitrag vom 13.08.2024 geht es um die Höhe der Nutzungsentschädigung bei Benzinern (Nutzungsentschädigung nach der 1-%-Regel), Elektro-Fahrzeugen (unseres Erachtens spricht viel dafür, dass die Nutzungsentschädigung auch dann nach der 1-%-Regel berechnet wird) und in Fällen, in denen Beschäftigte auch ein privates Kfz haben.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

31. Juli 2025

Das BAG und die VW-Betriebsräte - die Volltexte sind da!

Das BAG und die VW-Betriebsräte - die Volltexte sind da!

Wir hatten regelmäßig und zuletzt am 21.03.2025 über die Angemessenheit der Vergütung der VW-Betriebsräte berichtet.

Vergangene Woche hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in zwei VW-Fällen (Az. 7 AZR 46/24 und 7 AZR 159/24) seine Urteile im Volltext veröffentlicht.

Grund genug für uns, die wesentlichen Feststellungen des BAG mit Ihnen zu teilen:

  • Hat das Unternehmen die Vergütung eines BR-Mitglieds aufgrund der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer (§ 37 Absatz 4 Satz 1 BetrVG) selbst ermittelt und dem BR-Mitglied mitgeteilt, muss das Unternehmen darlegen und beweisen, dass diese Vergütung fehlerhaft war.

    Ausnahmen:
    ➡️ Es muss sich dem BR-Mitglied geradezu aufdrängen, dass es bei der Vergütung in unzulässiger Weise begünstigt wird.
    ➡️ Der Hinweis des Arbeitgebers auf die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung ist ganz offensichtlich falsch und nur vorgeschoben.

    Diese Ausnahmen sind rar gesät und werden wohl gar nicht mehr vorkommen, wenn Unternehmen von ihren neuen Möglichkeiten Gebrauch machen. Wie Sie wissen, wurde § 37 Absatz Satz 4 BetrVG mit Wirkung ab dem 25.07.2024 zugunsten der Betriebsparteien geändert. Arbeitgeber und Betriebsrat können seither eine Betriebsvereinbarung über das Verfahren zur Bestimmung der Vergleichsgruppe sowie über konkrete Vergleichsgruppen schließen, wobei eine solche Betriebsvereinbarung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar ist.
  • Die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers sind laut BAG erheblich. Wenn der Arbeitgeber (entgegen seiner damals anderslautenden Mitteilung an das BR-Mitglied) jetzt sagt, dass die Vergütung oberhalb der mit dem BR-Mitglied vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung liegt, muss es die von ihm einbezogenen Vergleichspersonen im Arbeitsgerichtsprozess namentlich anführen. Eine Pseudonymisierung genügt nicht und ist auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erforderlich. An dieser Stelle macht das BAG in seinem Urteil vom 20.03.2025 (Az.: 7 AZR 46/24) übrigens sehr schöne Ausführungen zur Datenverarbeitung im Zuge der Entscheidungsfindung der Gerichte.

Das BAG räumt außerdem mit allgemeinen Streitpunkten auf:

28. Juli 2025

BAG neu und wichtig: Kein Präventionsverfahren ohne Kündigungsschutz

BAG neu und wichtig: Kein Präventionsverfahren ohne Kündigungsschutz

Zuletzt entbrannte zwischen verschiedenen Landesarbeitsgerichten ein Streit über die Frage: Sind Arbeitgeber von schwerbehinderten/gleichgestellten Beschäftigten auch dann zur Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 167 Abs. 1 SGB IX verpflichtet, wenn (noch) kein Kündigungsschutz besteht?
 
Die Frage ist äußerst praxisrelevant, wenn es um Kündigungen während der Wartezeit (also innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses) oder Kündigungen im Kleinbetrieb geht.
 
Das LAG Thüringen (Az.: 1 Sa 201/23) hat die Frage verneint.
Das LAG Köln (Az.: 6 SLa 76/24) hat sie grundsätzlich bejaht, siehe auch unseren letzten Beitrag zum Urteil des LAG Köln vom 12.09.2024.
 
In dem Revisionsverfahren gegen die Entscheidung des LAG Thüringen war nun das BAG am Zuge.
 
In seinem Ende der letzten Woche im Volltext veröffentlichten Urteil vom 03.04.205 (Az.: 2 AZR 178/24) hat das BAG die Frage mit NEIN beantwortet.
 
Das bedeutet:

  • Bei einer Kündigung von schwerbehinderten/gleichgestellten Beschäftigten innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses oder in einem Kleinbetrieb muss kein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX durchgeführt werden. 
  • Aber: Arbeitgeber können auch in Arbeitsverhältnissen ohne Kündigungsschutz verpflichtet sein, Maßnahmen nach § 164 SGB IX zur behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes zu ergreifen, um eine Kündigung zu vermeiden.

Passiert das nicht, ist eine Kündigung aber nur dann rechtswidrig, wenn die/der Beschäftige darlegt, dass

  • die Kündigung im Zusammenhang mit der Behinderung stehtund
  • welche Maßnahmen der Arbeitgeber hätte ergreifen können, um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen. 

Da in dem vom BAG entschiedenen Fall kein Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Behinderung aufgezeigt wurde, wurde die Wirksamkeit der Kündigung vom BAG bestätigt. 
 
Fazit:
Wissen Arbeitgeber um die Schwerbehinderung/Gleichstellung von Beschäftigten, müssen sie vor einer Kündigung nur dann Maßnahmen in Erwägung ziehen, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die Nicht-Eignung mit der Behinderung in Zusammenhang steht.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!