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16. September 2024

Update: Präventionsverfahren während der Wartezeit/Probezeit?!

Update: Präventionsverfahren während der Wartezeit/Probezeit?!

Wir sind wie versprochen am Ball geblieben:

Das LAG Köln hat sein Urteil in der Berufungssache zum Präventionsverfahren während der Wartezeit gefällt (Az.: 6 SLa 76/24).

Sie erinnern sich: Im Dezember 2023 hatte das Arbeitsgericht Köln sich in einer aufsehenerregenden Entscheidung über die gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hinweggesetzt und festgestellt, dass Arbeitgeber auch während der kündigungsschutzrechtlichen 6-monatigen Wartezeit verpflichtet sind, vor Ausspruch einer Kündigung ein Präventionsverfahren gem. § 167 SGB IX durchzuführen. Hier hatten wir über das Urteil und seine Hintergründe berichtet; unsere Berichterstattung zu dem Thema und zum „Probezeitmanagement bei schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten“ haben wir anlässlich eines weiteren Urteils – diesmal des Arbeitsgerichts Freiburg – Anfang September hier fortgesetzt.

In dem Kölner Verfahren hatte der Arbeitgeber Berufung eingelegt.

Mit Erfolg! Am 12.09.2024 hat das LAG Köln das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kündigung des Arbeitgebers war damit im Ergebnis wirksam – auch ohne Präventionsverfahren.
Leider liegen bislang weder eine Pressemitteilung noch die Urteilsbegründung vor, so dass wir nur vermuten können, dass das LAG sich auf die Entscheidung des BAG aus 2016 zurückbesonnen hat – und möglicherweise auch entscheidende Unterschiede zu dem vom EuGH entschiedenen Fall eine Rolle gespielt haben. Wir sind auf die Begründung jedenfalls sehr gespannt.

Damit liegt das LAG Köln übrigens mit dem LAG Thüringen auf einer Linie:

12. September 2024

Aktuelle Urteile: Arbeitsrecht und politische Meinungsfreiheit – Recht ist manchmal nur ein Minimum von Moral

Aktuelle Urteile: Arbeitsrecht und politische Meinungsfreiheit – Recht ist manchmal nur ein Minimum von Moral

Angesichts der politischen Lage fragen sich Arbeitgeber, welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten sie haben, wenn Beschäftigte sich antisemitisch oder rechtsextremistisch äußern.
Mittlerweile gibt es zu diesem Problemkreis erste Urteile, von denen wir Ihnen gerne berichten möchten:

1. Kündigung einer Mitarbeiterin der Stadt Köln wegen Teilnahme am sog. Potsdamer Treffen, ArbG Köln, Urteil v. 03.07.2024 (Az.: 17 Ca 543/24):
In dem Verfahren ging es um eine Mitarbeiterin der Stadt Köln aus dem zentralen Beschwerdemanagement im Umwelt- und Verbraucherschutzamt.
Die Stadt Köln kündigte der Mitarbeiterin fristlos, nachdem sie erfahren hatte, dass die Mitarbeiterin am sogenannten Potsdamer Treffen teilgenommen hatte.
Das Arbeitsgericht Köln entschied, dass die Kündigung der Stadtbediensteten unwirksam ist und begründete das folgendermaßen:

  • Da die Mitarbeiterin aufgrund ihrer Tätigkeit im Beschwerdemanagement lediglich eine „Innenfunktion“ und außerdem keine Personalverantwortung habe, träfe sie lediglich eine einfache und keine gesteigerte politische Treuepflicht.
    Anders als Beschäftigte des öffentlichen Dienstes mit „Außenwirkung“ sei die Mitarbeiterin daher nicht verpflichtet gewesen, jederzeit und auch außerdienstlich aktiv für den Bestand der politischen Grundordnung des Grundgesetzes einzutreten. Sie habe lediglich die Pflicht, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung nicht aktiv zu bekämpfen.
  • Nach Aktenlage könne man der Mitarbeiterin aber nicht vorwerfen, dass sie sich bei dem Potsdamer Treffen durch Wortbeiträge o. ä. eingebracht habe. Vielmehr habe sie den Vorträgen nur „passiv gelauscht“. Für ein aktives Eintreten der Mitarbeiterin für verfassungsfeindliche Ziele gäbe es keine Anhaltspunkte.

2. Kündigung eines Redakteurs der Deutschen Welle aufgrund antisemitischer Äußerungen, die das Existenzrecht Israels in Abrede stellen – LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 04.04.2024 (Az.: 5 Sa 894/23):
In diesem Verfahren ging es um die fristlose Kündigung eines Redakteurs der Deutschen Welle, der in mehreren Posts auf öffentlichen oder öffentlich einsehbaren Profilen das Existenzrecht Israels in Abrede gestellt hatte. Die Besonderheit des Falles: Der Arbeitgeber ist ein „Tendenzbetrieb“, deshalb ging die Kündigung mit folgenden Argumenten durch:

10. September 2024

Weiterleitung dienstlicher E-Mails an einen privaten Mail-Account rechtfertigt fristlose Kündigung

Weiterleitung dienstlicher E-Mails an einen privaten Mail-Account rechtfertigt fristlose Kündigung

E-Mails haben dem Brief (auch) im geschäftlichen Kontext längst den Rang abgelaufen.

Dabei sind Versand und Weiterleitung von E-Mails so einfach und unkompliziert, dass der eine oder die andere – ob absichtlich oder unbeabsichtigt – Empfänger aufnimmt, für die die Nachricht eigentlich nicht gedacht war.

Dass der Versand von E-Mails an Dritte, also Personen, die nicht befugt sind, von dem Inhalt der Nachricht Kenntnis zu erlangen, einen Datenschutzverstoß darstellt, der auch die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen kann, ist klar. Das gleiche gilt für die Weiterleitung von Mails mit betrieblichen Informationen an einen privaten Mail-Account, wenn dies zur Vorbereitung einer Tätigkeit bei einem neuen Arbeitgeber dient.

Was viele nicht auf dem Schirm haben, ist, dass schon die Weiterleitung von Nachrichten an eine eigene private E-Mail-Adresse für sich genommen einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Vorschriften darstellt, auch wenn damit keine Schädigungsabsicht verbunden ist. Schließlich stellt der Versand bzw. die Weiterleitung von E-Mails an einen privaten Account eine Datenverarbeitung i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO dar, die üblicherweise nicht durch eine Einwilligung der betroffenen Personen gedeckt ist (zumal diese von der Weiterleitung oft gar keine Kenntnis haben). Die Weiterleitung an private Mail-Accounts ist in der Regel auch nicht zur Wahrung von berechtigten Interessen erforderlich, so dass der Übermittlung an einen privaten Mail-Account schlicht die Rechtsgrundlage fehlt.

Über die rechtlichen Konsequenzen, die ein solcher Datenschutzverstoß nach sich ziehen kann, hat das Oberlandesgericht München in einem ganz aktuellen Urteil vom 31.07.2024 (Az. U 351/23 e) entscheiden.

Es kam zu dem Ergebnis, dass die Weiterleitung von dienstlichen E-Mails an ein privates Mail-Postfach ein wichtiger Grund für eine fristlose verhaltensbedingte Kündigung sein kann.

06. September 2024

Let’s do it – Fair Pay Teil 6: Sommerjobs – die Analyse

Let’s do it – Fair Pay Teil 6: Sommerjobs – die Analyse

Bei Mia und Fritz ist der erste Ärger verraucht – Sie erinnern sich an die Gehaltsunterschiede der Sommerjobs der beiden, über die wir hier berichtet hatten.

Nach 6 Wochen Arbeit hatte Mia als Ergebnis ihrer schweißtreibenden Arbeit in der Fabrik mit Spätschichten und Samstagsarbeit EUR 4.320 brutto auf Ihrer Abrechnung. Ihr Bruder Fritz verdiente in derselben Zeit für seinen „lauen“ Job in der IT einer Werbeagentur EUR 4.800 brutto.

In ihrer Recherche kommt alles Mögliche auf den Tisch, und die Zwillinge staunen, wie viele Faktoren tatsächlich relevant sein können, wenn es um Fair Pay geht.

Was ist gerecht? Wie sehen gerechte Entgeltsysteme aus?
Mia und Fritz finden sehr verschiedene Anknüpfungspunkte für Vergütungsgerechtigkeit. Hier ein alphabetischer Überblick (aber Achtung: nicht jeder Aspekt darf heute noch herangezogen werden!):

04. September 2024

Neu und wichtig: Probezeitmanagement bei schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten – die Kritik am BAG wird immer lauter

Neu und wichtig: Probezeitmanagement bei schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten – die Kritik am BAG wird immer lauter

Für das Probezeitmanagement von schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigten bahnt sich ein Richtungswechsel an.
In unserem Newsletter vom 21.02.2024 hatten wir Ihnen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 20.12.2023 (Az.: 18 Ca 3954/23) vorgestellt, in dem entschieden wurde:

Die Kündigung eines schwerbehinderten (oder gleichgestellten) Menschen innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses ist wegen unzulässiger Diskriminierung unwirksam, wenn der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung kein Präventionsverfahren durchgeführt hat.

Damit haben sich die Kölner Arbeitsrichter offen gegen die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gestellt. Denn das Bundesarbeitsgericht hat noch mit Urteil vom 21.04.2016 (Az.: 8 AZR 402/14) entschieden, dass ein unterlassenes Präventionsverfahren innerhalb der ersten 6 Arbeitsmonate kein Indiz für eine Diskriminierung ist.

Mehr dazu sowie zu einem vorangegangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dessen Bedeutung für das deutsche Recht bisher unklar ist, können Sie, wie gesagt, in unserem Newsletter vom 21.02.2024 nachlesen.

Nun macht eine Schwalbe ja bekanntlich noch keinen Sommer.
Gerade wurde allerdings das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 04.06.2024 (Az.: 2 Ca 51/24) veröffentlicht, in dem sich die Freiburger Richter der Kölner Rechtsprechung anschließen.

Das Arbeitsgericht Köln steht mit seiner Meinung also nicht mehr allein da. Und ganz blöd ist die Meinung der Kölner und Freiburger Arbeitsrichter vor dem Hintergrund der Europäischen Rechtsprechung nicht.

Was also tun?
Es ist daher ratsam, rechtzeitig eine „Performance-Prüfung“ von Probezeitlern zu veranlassen. Das gilt erst recht, wenn man weiß, dass sie schwerbehindert oder gleichgestellt sind; aber natürlich auch in allen anderen Fällen.