Zum Hauptinhalt springen
Blog durchsuchen

Blog

28. Februar 2025

Freizeitausgleich sticht Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall!

Freizeitausgleich sticht Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall!

Ausgangspunkt für unseren heutigen Beitrag ist eine Situation, die in vielen Unternehmen vorkommt:
Das Unternehmen ordnet Freizeitausgleich für Überstunden an. Und nach der Anordnung wird die/der Beschäftigte arbeitsunfähig.
 
Die Preisfrage lautet: Schuldet der Arbeitgeber Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall (mit der Folge, dass es bei der Anzahl von Überstunden bleibt, die zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit bestanden) oder werden die Arbeitszeitguthaben trotz der Erkrankung weiter verbraucht?
 
Die richtige Antwort ist: Der Arbeitgeber schuldet keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Vielmehr werden Arbeitszeitguthaben trotz der Arbeitsunfähigkeit weiter verbraucht.
 
Aber Achtung: Das gilt nur, wenn der Freizeitausgleich angeordnet wurde, bevor die Arbeitsunfähigkeit eintrat.
 
Diese, nicht neue Erkenntnis hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem erst kürzlich im Volltext veröffentlichten Urteil vom 20.02.2024 (Az.: 2 Sa 92/23) noch einmal festgestellt.
 
Wörtlich heißt es in dem Urteil:
 
„[…] Ein Überstundenausgleich durch bezahlte Arbeitsbefreiung ist grundsätzlich auch während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit möglich. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer – wie vorliegend – die Zeiten der Arbeitsbefreiung schon vor dessen Erkrankung bekannt gegeben hat.
[…]
Diesem Ergebnis stehen auch die Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (Entgeltfortzahlungsgesetz) nicht entgegen. Die gesetzlichen Regelungen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sichern nur den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers vor einem ansonsten eintretenden Anspruchsverlust nach § 326 Abs. 1 BGB infolge seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch die Nutzung seiner Freizeit. […]“

 
Oder um es allgemein zu sagen: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall schulden Arbeitgeber nur, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt also der Grundsatz der sogenannten Monokausalität.
 
Das Gleiche gilt auch in Fällen, in denen der Abbau von Arbeitszeitguthaben im Zusammenhang mit Freistellungen anlässlich von Kündigungen erfolgt. So war es im Übrigen auch in dem vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall.
 
Anders ist es beim Urlaub. Denn hier gibt es die Sonderregelung des § 9 Bundesurlaubsgesetz. Die besagt bekanntlich, dass der krankheitsbedingt ausgefallene Urlaub nachzugewähren ist.
 
Deshalb sind Arbeitgeber gut beraten, wenn Sie im Falle einer Freistellung zunächst den Abbau von Arbeitszeitguthaben und erst danach den Abbau von Urlaub anordnen.
 
Welche Überstunden ausgleichspflichtig sind, steht freilich auf einem anderen Blatt. Hierzu verweisen wir gerne auf unsere beiden letzten Berichte vom 07.02.2025 und vom 06.02.2025.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

24. Februar 2025

Irrtum freie Mitarbeit: Wie bekommen Unternehmen die zu viel gezahlte Vergütung zurück?

Irrtum freie Mitarbeit: Wie bekommen Unternehmen die zu viel gezahlte Vergütung zurück

Arbeits- und Sozialgerichte schrauben die Anforderungen an eine freie Mitarbeit immer höher, zuletzt wurden viele freie Mitarbeiterverhältnisse von den Gerichten gekippt.
 
Das Problem: Der Arbeitgeber muss rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge entrichten, und zwar auch den Arbeitnehmeranteil. Zudem bekommen Freie oft eine höhere Vergütung als abhängig Beschäftigte, weil sie gewisse Risiken wie Urlaub und Krankheit selbst abdecken (müssen). 
 
Die betroffenen Unternehmen stehen daher vor den Fragen: 
Bekommen sie die für die freie Mitarbeit zu viel gezahlte Vergütung zurück? 
Und was ist mit der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer?
 
Zu diesen Fragen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 04.12.2024 (Az.: 5 AZR 272/23) eine wichtige Entscheidung gefällt, die nun im Volltext veröffentlicht wurde. 
 
Die wichtigsten Feststellungen des BAG für einen erfolgreichen Rückforderungsanspruch haben wir praxisgerecht aufbereitet:

    1. Es muss ein Arbeitsverhältnis im arbeitsrechtlichen Sinne festgestellt werden.
      Achtung: Arbeitsvertrag und sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis sind nicht deckungsgleich! Siehe dazu auch unseren LinkedIn-Beitrag.
      ➡️ Ist der Status zwischen Unternehmen und freiem Mitarbeiter streitig, bedeutet das: Unternehmen können die Rückforderung nicht allein darauf stützen, dass sv-rechtlich ein Beschäftigungsverhältnis festgestellt worden ist. 

    2. Die höhere Vergütung muss sich gerade aus der freien Mitarbeit ergeben.
      ➡️ Im Zuge der Vertragsverhandlungen sollte das von den Unternehmen tunlichst dokumentiert werden.

    3. Unternehmen müssen zu der für vergleichbare Arbeitnehmern gezahlten Arbeitsvergütung vortragen. 
      Achtung: Die hiernach festgestellte Vergütungsdifferenz reduziert sich um die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung.

    4. Haben Unternehmen die zuvor genannten Hürden genommen, prüft das BAG, ob der Rückforderung des Unternehmens § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (Treu und Glauben) entgegensteht.Hier sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: 

      Erster Fall: 
      Der freie Mitarbeiter ist derjenige, der einen Arbeitsvertrag geltend macht.
      ➡️ In diesem Fall genießt der freie Mitarbeiter i. d. R. keinen Vertrauensschutz; er kann § 242 BGB also nicht einwenden. 

      Zweiter Fall:
      Die Sozialversicherungsträger, Sozialgerichte oder das Unternehmen selbst stellen fest, dass der freie Mitarbeiter in Wahrheit ein Arbeitnehmer ist. Hier kommt es maßgeblich darauf an, von wem die Initiative für die freie Mitarbeit ausging – vom Unternehmen (dann gibt es Vertrauensschutz nach § 242 BGB) oder vom freien Mitarbeiter (dann gibt es keinen Vertrauensschutz nach § 242 BGB).
      ➡️ Unternehmen sollten die freie Mitarbeit daher nicht vorgeben. 
      Und wenn die /der Betroffene die freie Mitarbeit unbedingt möchte, sollten Unternehmen – und auch das ist eine Konsequenz aus dem Urteil – trotzdem alternativ ein Arbeitsverhältnis anbieten.

    5. Zur Rückerstattung von zu Unrecht gezahlter Umsatzsteuer sagt das BAG:
      Liegt ein Arbeitsverhältnis vor, kann die Umsatzsteuer zurückverlangt werden.  

Die Rückforderung von zu viel gezahlter Vergütung ist also mühsam.
Nicht nur deshalb sollten Unternehmen sehr genau hinschauen und prüfen, ob eine freie Mitarbeit überhaupt in Betracht kommt. In vielen Fällen wird das nicht (mehr) der Fall sein.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

21. Februar 2025

Die Entscheidung des BVerfG und ihre Auswirkung auf Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitkräfte

Die Entscheidung des BVerfG und ihre Auswirkung auf Mehrarbeitszuschläge für Teilzeitkräfte

Die kürzlich veröffentlichten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11.12.2024 (Az.: 1 BvR 1109/21 und 1 BvR 1422/23) sind in aller Munde. 
 
Gegenstand der Entscheidungen ist die Zulässigkeit unterschiedlicher tariflicher Zuschläge für „Nachtarbeit“ und „Nachtschichtarbeit“. 

In den zugrunde liegenden Fällen hatten Arbeitnehmer geklagt, da für regelmäßige Nachtschichtarbeit ein geringerer Zuschlag (25 %) gezahlt wurde als für unregelmäßige Nachtarbeit (50 %).
 
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab den Klägern zunächst Recht und sah in der Differenzierung einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG). Es ordnete an, die Zuschläge für Nachtschichtarbeit entsprechend anzuheben.
 
Das BVerfG hob diese Urteile jedoch auf und verwies die Fälle zurück an das BAG. 
Es betonte die Bedeutung der Tarifautonomie, die es den Tarifvertragsparteien ermöglicht, Arbeitsbedingungen eigenständig und ohne staatliche Einmischung zu regeln. Obwohl die Tarifvertragsparteien bei der Gestaltung von Tarifnormen grundsätzlich an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden sind, steht ihnen dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu; das gilt insbesondere wenn die Regelung den Kernbereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen betrifft. 
Die gerichtliche Kontrolle solcher tariflichen Regelungen ist daher auf eine Willkürprüfung beschränkt. Im vorliegenden Fall sah das Bundesverfassungsgericht zwar die (auch vom BAG erkannte) Ungleichbehandlung, aber keine Willkür, da sachliche Gründe für die unterschiedliche Höhe der Zuschläge erkennbar seien (etwa die unterschiedliche Planbarkeit und Belastung von regelmäßiger Nachtschichtarbeit gegenüber unregelmäßiger Nachtarbeit). 

Daher sei es Aufgabe der Tarifparteien, etwaige Anpassungen vorzunehmen, nicht jedoch der Gerichte, eigenständig tarifliche Regelungen zu ändern.
 
So weit, so gut.
 
Als wir die Entscheidung gelesen haben, drängte sich uns allerdings direkt eine Frage auf: 
 
Ist die Entscheidung des BVerfG auch auf die Entscheidung des BAG zu Mehrarbeitszuschlägen für Teilzeitkräfte übertragbar?
 
Wir erinnern uns: 

Das Bundesarbeitsgericht hatte am 05.12.2024 (also wenige Tage vor dem BVerfG) entschieden, dass eine tarifvertragliche Regelung, die Überstundenzuschläge erst beim Überschreiten der Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten gewährt, Teilzeitkräfte benachteiligt und gegen das Diskriminierungsverbot verstößt (§ 4 Abs. 1 TzBfG).
 
Im konkreten Fall hatte eine Teilzeit-Pflegekraft eines Dialyseanbieters geklagt, da ihr für Mehrarbeit keine Zuschläge oder Zeitgutschriften gewährt wurden. Das Gericht sprach ihr die geforderte Zeitgutschrift zu und gewährte zudem eine Entschädigung wegen mittelbarer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts (§ 15 Abs. 2 AGG), da über 90 % der Teilzeitkräfte Frauen sind. 
Die tarifliche Regelung wurde in diesem Punkt für unwirksam erklärt.
 
Eine vergleichbare Ausgangslage wie in dem aktuell vom BVerfG entschiedenen Fall. 
 
Aber würde das BVerfG auch in dem Fall der Mehrarbeitszuschläge zulasten der (Teilzeit-) Beschäftigten und zugunsten der Tarifautonomie entscheiden?
 
Wir glauben: Nein.
 
Zwar betrifft das Thema Mehrarbeitszuschläge (genau wie die Zuschläge für das nächtliche Arbeiten) den Kernbereich von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (was dafür spricht, dass der Spielraum der Tarifvertragsparteien weit ist), die Spielräume der Tarifvertragsparteien sind aber – nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts – insbesondere dann enger, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Minderheiten betroffen sind und diese oder spezifische Gruppeninteressen systematisch vernachlässigt wurden.
Genau damit hatte aber das BAG argumentiert, da in dem vom BAG entschiedenen Fall zu 90 % Frauen betroffen waren. 
 
Überträgt man die Grundsätze, die das BVerfG aufgestellt hat, auf die Entscheidung zu den Mehrarbeitszuschlägen, wäre der Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Prüfung der tariflichen Klauseln also vermutlich nicht auf eine reine Willkürprüfung beschränkt (wie es in dem aktuell vom BVerfG entschiedenen Fall war); die tarifliche Klausel wäre vielmehr einer umfassenden gerichtlichen Prüfung unterworfen. 
 
Im Ergebnis bliebe es also bei der Entscheidung des BAG, dass die Differenzierung zwischen Voll- und Teilzeitkräften bei der Frage der Mehrarbeitszuschläge (zumindest in dem konkreten Fall) unzulässig wäre.

19. Februar 2025

BAG zum Schadensersatz aufgrund verspäteter Zielvorgabe

BAG zum Schadensersatz aufgrund verspäteter Zielvorgabe

Das Bundesarbeitsgericht hat heute (19.02.2025) eine Entscheidung getroffen, die alle Unternehmen betrifft, die die Leistung ihrer Beschäftigten durch Zielboni honorieren.

Dem Urteil vorausgegangen ist eine Entscheidung des Landesarbeitsgericht Köln vom 6. Februar 2024 (Az. 4 Sa 390/23):

Der Kläger, ein ehemaliger "Head of Advertising", erhielt eine variable Vergütung, die an die Erreichung bestimmter, vom Unternehmen vorgegebener Ziele geknüpft war.
Die Zielvorgabe für das Jahr 2019 erfolgte aber nicht, wie eigentlich vereinbart, bis zum 01.03. des Bonusjahres, sondern erst Mitte Oktober und somit – auch nach Auffassung des LAG Köln – viel zu spät.
Das LAG sprach dem Kläger deshalb Schadenersatz in Höhe von EUR 16.035,94 brutto zu.

Diese Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht soeben bestätigt.

Um die Bedeutung der Entscheidung richtig einordnen zu können, haben wir den bisherigen Stand der Rechtssprechung wie folgt für Sie zusammengefasst:

  • Die Arbeitsgerichte sind schon immer davon ausgegangen, dass der Abschluss von Zielvereinbarungen nach Ablauf der Zielperiode keinen Sinn mehr macht, da Zielvereinbarungen entsprechend dem Leistungssteigerungs- und Motivationsgedanken ihre Anreizfunktion nur dann erfüllen können, wenn die Ziele rechtzeitig vereinbart worden sind.Erfolgt die Vereinbarung der Ziele nicht rechtzeitig, ist der Arbeitgeber deshalb regelmäßig verpflichtet Schadenersatz in Höhe des Betrages zu leisten, der 100%iger Zielerreichung entspricht. 

  • Auf die Frage, ob es sich um unternehmensbezogene oder persönliche / individuelle Ziele handelt, kommt es dabei nicht an (auch wenn vielfach damit argumentiert wird, dass Beschäftigte zur Erreichung von unternehmensbezogenen Zielen weniger beitragen können).

Noch offen war bis heute, ob diese Aussagen in gleichem Maße für einseitige Zielvorgaben und auch dann gelten, wenn die Zielperiode noch nicht vollständig abgelaufen ist. 

  • Im Gegensatz zu Zielvereinbarungen unterliegt die Zielvorgaben als einseitig Leistungsbestimmung grundsätzlich der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Die Folge einer unbilligen Leistungsbestimmung ist aber (eigentlich) kein 100%iger Schadenersatz, sondern die Festlegung der Ziele durch gerichtliches Urteil. 
    Das bedeutet konkret, dass das Gericht anstelle der Vorgabe durch den Arbeitgeber eine selbst gewählte Vorgabe setzt und dann prüft, ob und in welchem Umfang diese selbst gewählte Vorgabe erfüllt worden ist.Nach Auffassung des LAG Köln, der sich das BAG angeschlossen hat, ist es aber nicht sachgerecht, eine nicht erfolgte Zielvorgabe anders zu behandeln als den Fall der unterbliebenen Zielvereinbarung; zumindest dann, wenn die Vorgabe der Ziele gar nicht oder zu spät erfolgt ist.In beiden Fällen ist es so, dass die Kenntnis von den maßgeblichen Zielen (egal ob vorgegeben oder vereinbart) Voraussetzung für die beabsichtigte Anreizfunktion ist. Erfolgt die Vorgabe und/oder Vereinbarung der Ziele zu spät, ist ein Hinarbeiten auf die Zielerreichung nicht mehr möglich, weshalb auch die Festlegung von Zielen durch das Arbeitsgericht sinnentleert wäre.
    Ist der Arbeitgeber an dieser Verspätung schuld, haftet er deshalb in Höhe 100%iger Zielerreichung.

  • Das gilt auch, so das LAG Köln, wenn die Zielperiode noch nicht vollständig, aber immerhin zu 3/4 abgelaufen ist. Um es mit den Worten des LAG Köln zu sagen:
    "Erfolgt eine Zielvorgabe erst zu einem derart späten Zeitpunkt innerhalb des Geschäftsjahres, dass sie ihre Anreizfunktion nicht mehr sinnvoll erfüllen kann, ist sie so zu behandeln, als sei sie überhaupt nicht erfolgt. Ein derart später Zeitpunkt ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Geschäftsjahr – wie hier – bereits zu mehr als drei Vierteln abgelaufen ist."

Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht ausweislich der soeben veröffentlichten Pressemitteilung vollumfänglich angeschlossen. 

Die wichtigsten Erkenntnisse haben wir für Sie zusammengefasst:

➡️ Lassen Sie lieber die Finger von Zielvereinbarungen. Warum, das haben wir in unserem Newsletter vom 24.09.2024 ausführlich erläutert.

➡️ Zielvereinbarungen und -vorgaben müssen rechtzeitig und frühzeitig erfolgen, um ihre Motivationsfunktion zu erfüllen.

➡️ Späte Vorgaben gelten spätestens dann als nicht erfolgt, wenn das Geschäftsjahr zu mehr als drei Vierteln verstrichen ist. 

➡️ Dies gilt für unternehmensbezogene Ziele und für individuelle Ziele gleichermaßen.

18. Februar 2025

Die Probezeit hat nichts mit dem Kündigungsschutzgesetz zu tun!

Die Probezeit hat nichts mit dem Kündigungsschutzgesetz zu tun!

Kaum ein Irrtum hält sich so hartnäckig wie der, dass die Dauer der Probezeit für den Beginn des Kündigungsschutzes maßgeblich ist.
 
Passend zu den Grundzügen, die meine Kollegin Lydia Voß in ihrem heutigen LinkedIn-Beitrag dargestellt hat, hier ein aktueller und geradezu schulbuchmäßiger Fall aus unserer Praxis:
 
In dem Arbeitsvertrag eines Arbeitnehmers wurde eine 6-monatige Probezeit vereinbart. 
Kurz vor Ablauf von 3 Monaten bittet der Arbeitnehmer den Arbeitgeber, die Probezeit doch schon nach 3 Monaten für erfolgreich bestanden zu erklären.
Da der Arbeitnehmer bis dahin einen guten Job machte, erfüllt der Arbeitgeber ihm diesen Wunsch. 
 
Dann kam es wie so oft. Die Leistungen wurden schlechter und zu Beginn des 6. Monats möchte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis beenden. Auch dieser Arbeitgeber ging davon aus, dass sein Beschäftigter nun schon ab dem 4. Monat Kündigungsschutz hatte. 
 
Seine Erleichterung war groß, als er von uns hörte, dass der Kündigungsschutz (das Unternehmen ist kein Kleinbetrieb im Sinne von § 23 des Kündigungsschutzgesetzes) trotz verkürzter Probezeit erst nach einer Beschäftigungsdauer von mehr als 6 Monaten beginnt, § 1 Absatz 1 Kündigungsschutzgesetz. 
 
Der Arbeitnehmer war gleichsam schief gewickelt und versprach nach empfangener Kündigung, dass er gleich einen Anwalt aufsuchen werde, damit dieser Kündigungsschutzklage erhebe. 
 
Klage wurde innerhalb der 3-wöchigen-Klagefrist nicht erhoben. Der Anwalt des Arbeitnehmers wusste es offenbar besser.
 
Bleibt die Frage, welche Bedeutung die Probezeit dann überhaupt hat?
Die Antwort ist: Die Vereinbarung einer Probezeit führt nur zu den sich aus § 622 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebenden kürzeren Kündigungsfristen.
 
Es gibt allerdings auch Fälle, in denen Kündigungsschutzklage erhoben wird, weil Arbeitnehmer felsenfest im Glauben sind, dass ihnen die Abkürzung der Probezeit zum Kündigungsschutz verhilft. 
Und auch Arbeitsgerichte befassen sich in manch einem Fall mit der Auslegung solcher Absprachen.
 
Damit es erst gar nicht zu solchen Auslegungen kommt, sind Arbeitgeber gut beraten, schon in den Arbeitsvertrag hineinzuschreiben, dass eine "Probezeit gemäß § 622 Absatz 3 BGB von xy Monaten" (6 Monate sind die Maximalfrist) vereinbart wird.
 
Bestehen Neubeschäftigte darauf, dass keine Probezeit vereinbart wird, gilt das natürlich erst recht. Dann sollte es heißen: 
"Es wird keine Probezeit gemäß § 622 Absatz 3 BGB vereinbart."

Für die Verkürzung von Probezeiten gilt wiederum das gleiche; Arbeitgeber schreiben dann also, dass die "Probezeit gemäß § 622 Absatz 3 BGB" schon am xy endet.

 

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!