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15. März 2024

Update Nachweisgesetz – keine Angst vor der elektronischen Form

Update Nachweisgesetz – keine Angst vor der elektronischen Form

Die Spatzen haben es schon von den Dächern gepfiffen: 
Der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Referentenentwurf zum Bürokratieentlastungsgesetz, über den wir in unserem Newsletter vom 12.01.2024 berichtet hatten, wurde nun (mit Blick auf die arbeitsrechtlich maßgeblichen Punkte nahezu unverändert) vom Bundeskabinett verabschiedet und damit das förmliche Gesetzgebungsverfahren eingeleitet. 
 
Damit ist der Weg geebnet, dass der Nachweis über die im Nachweisgesetz genannten Arbeitsbedingungen künftig auch in elektronischer Form, also per qualifizierter elektronischer Signatur (qeS) erbracht werden kann. 
 
Wie wir schon in unserem Newsletter vom 12.01.2024 berichtet haben, gilt die Erfüllung der nach dem Nachweisgesetz erforderlichen Nachweise per qeS allerdings nicht für Beschäftigte, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind. 
Für alle anderen Unternehmen könnten die Personalakten in Papierform aber bald der Vergangenheit angehören.
 
Wenn es in den Berichterstattungen teilweise heißt, dass die qeS eine zu große Hürde für Beschäftigte sei, möchten wir dem einen Erfahrungsbericht einer langjährigen Mandantin, die die elektronische Form schon seit rund zwei Jahren verwendet, entgegenstellen.
 
Bei besagter Mandantin läuft das Verfahren so ab: 

  • Das Unternehmen hat einen Vertrag mit dem US-amerikanischen Anbieter DocuSign, einem der weltweit führenden Anbieter für (qualifizierte) elektronische Signaturen abgeschlossen. Seit einigen Jahren arbeitet DocuSign mit der Firma IDnow zusammen, die die die Online-Identitätsprüfung übernimmt.
  • Nur das Unternehmen zahlt Lizenzgebühren; für die andere Seite ist die Nutzung kostenfrei. 
  • Ist das Unternehmen mit den Beschäftigten oder dem Betriebsrat (auch hier kann die elektronische Form zum Einsatz kommen) handelseinig geworden, lädt das Unternehmen die zu unterzeichnenden Dokumente bei DocuSign hoch und nennt DocuSign die Kontaktdaten der anderen Vertragspartei(en).
  • DocuSign schickt dann eine (oder mehrere) E-Mail(s) mit einem jeweils individuellen Link, mit dessen Hilfe die Unterzeichnenden durch den erforderlichen Prozess geleitet werden. 
  • Wenn diese Personen DocuSign zum ersten Mal nutzen, kommt IDnow ins Spiel. IDnow führt die persönliche Identifikation der unterzeichnenden Parteien per Video-Ident durch. 
  • Sie brauchen dafür nur ein Endgerät mit einer Kamera und einem Mikrofon (Smartphone reicht), ein gültiges Ausweisdokument und eine Internetverbindung. 
  • Das Verfahren zur Identitätsprüfung ist in wenigen Minuten abgeschlossen.
  • Nach Durchführung des Verfahrens kann ein DocuSign-Account angelegt werden, mit dem zukünftige Dokumente unterzeichnet werden können, ohne sich jedes Mal erneut über Video-Ident identifizieren zu müssen. 

Laut Auskunft der Mandantin klappt das alles auf Beschäftigtenseite wunderbar.
 
Wird das vom Bundeskabinett vorgelegte Vorhaben Gesetz, wird die elektronische Form künftig auch bei der Erstellung von Arbeitszeugnissen eingesetzt werden können, für aktuell noch die Schriftform gilt.
 
Bei der Kündigung und Aufhebungsverträgen bleibt es dagegen bei der klassischen und durch § 623 des Bürgerlichen Gesetzbuches geforderten Schriftform
 
Noch weitere Erleichterungen gibt es dagegen für das Elternzeitverlangen und den Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit. Hier soll sogar Textform reichen.

14. März 2024

Die neuen Leitplanken des BAG zur Beweiswerterschütterung von AU nach Kündigung

Die neuen Leitplanken des BAG zur Beweiswerterschütterung von AU nach Kündigung

Wir haben in letzter Zeit häufiger über die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Erschütterung des Beweiswerts von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU) im Zusammenhang mit Kündigungen berichtet. Zuletzt hatten wir Ihnen in unserem Newsletter vom 18.12.2023 das neueste Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13.12.2023 (Az.: 5 AZR 137/23) zu dieser Thematik vorgestellt. Damals hatten wir unsere Analyse auf die Pressemitteilung gestützt. Nun liegt das Urteil im Volltext vor. Zwar ergibt sich hieraus nichts wesentlich Neues. Wir möchten dies aber zum Anlass nehmen, die aktuellen Leitplanken des Bundesarbeitsgerichts für Sie zusammenzufassen:

  1. Der wichtigste Anknüpfungspunkt für die Erschütterung des Beweiswertes bleibt die zeitliche Koinzidenz, also die Passgenauigkeit der ärztlich festgestellten AU mit dem Ausspruch der Kündigung und dem Ablauf der Kündigungsfrist.

  2. Neu ist: Der Umstand, dass Beschäftigte schon vor der Kündigung arbeitsunfähig erkrankt waren, steht der Passgenauigkeit nicht entgegen. Vielmehr gilt: Bleiben Beschäftigte, die bereits vor der Kündigung krank waren, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterhin krank, spricht grundsätzlich (insbesondere bei Langzeiterkrankungen wird man hier wohl eine Ausnahme machen müssen) ebenfalls viel für eine Erschütterung des Beweiswerts der nach Ausspruch der Kündigung vorgelegten AU. 

  3. Ebenfalls neu: Liegt eine Passgenauigkeit vor, macht es keinen Unterschied, ob nur eine AU oder mehrere AU für den Zeitraum vorgelegt werden. Das BAG schloss sich hier der Ansicht einiger (Landes-)arbeitsgerichte an.

  4. Die Passgenauigkeit, für die es nach dem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts jetzt die zuvor gestellten Varianten gibt, setzt grundsätzlich voraus, dass Beschäftigte nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht weiter krank sind (denn sonst wäre die AU ja auch nicht passgenau mit dem Ablauf der Kündigungsfrist). In unserem Newsletter vom 18.12.2023 hatten wir deshalb gefragt, wie der Altarbeitgeber denn wissen soll, ob es eine über den Ablauf der Kündigungsfrist hinausgehende AU gab. Wir hatten insoweit ein Auskunftsrecht des Altarbeitgebers ins Spiel gebracht. Wahrscheinlich muss man den Auskunftsanspruch aber gar nicht bemühen. Wahrscheinlich reicht es, dass der Altarbeitgeber das vorträgt, was er weiß, nämlich die Passgenauigkeit der AU, und es dann Sache der Beschäftigten ist, das zu entkräften.

  5. Neu ist außerdem: Auch die Tatsache, dass der Arbeitgeber kündigt (und nicht die Beschäftigten selbst), spielt nach Ansicht des BAG keine Rolle.  

Durch die vom Bundesarbeitsgericht weiterentwickelten Leitplanken haben sich etliche Fragen geklärt, mit denen sich Arbeits- und Landesarbeitsgerichte seit der „Leitentscheidung“ des Bundesarbeitsgerichts vom 08.09.2021 gequält hatten, vgl. dazu auch unseren Newsletter vom 24.10.2023.

Arbeitgeber dürfen allerdings nicht vergessen, dass Leitplanken Grundsätze sind, und es von jedem Grundsatz Ausnahmen gibt. Und zwar in beide Richtungen.

06. März 2024

Remote work around the world – es gibt noch viel Aufklärungsbedarf

Remote work around the world – es gibt noch viel Aufklärungsbedarf

Es gibt immer mehr Menschen, die es ins teils sogar ferne Ausland zieht, um dort ein neues Leben aufzubauen. Im Zeitalter von remote work wird das Beschäftigungsverhältnis dann gerne gleich ins Ausland mitgenommen.
Erstaunlich ist allerdings, dass viele Unternehmen und deren Beschäftigte glauben, dass das so einfach geht, ohne das sich rechtlich etwas ändert.

So haben uns jüngst mehrere Anfragen von deutschstämmigen Beschäftigten oder Unternehmen erreicht, denen der gleiche Sachverhalt zugrunde lag:
Deutsche Staatsbürger entscheiden sich für ein Leben im Ausland, möchten aber weiterhin oder auch erstmalig remote für ein deutsches Unternehmen (weiter-)arbeiten. Die Beschäftigten sind auch noch in Deutschland gemeldet, weil es dort noch Familienmitglieder gibt.
Das, so denken offenbar immer noch einige, reiche aus, um weiterhin in Deutschland sozialversichert zu sein und das Einkommen in Deutschland zu versteuern.
Das Argument unserer Gesprächspartner war immer: Schließlich komme die Arbeitsleistung ja einem deutschen Unternehmen zugute.

Nur leider ist dieser Denkansatz grundlegend falsch. Denn vor allem für die sozialversicherungs- und auch steuerrechtliche Betrachtung kommt es nicht darauf an, wo der Arbeitserfolg eintritt bzw. ob die Tätigkeit einem Unternehmen mit Sitz in Deutschland zugutekommt.

In der beschriebenen Konstellation, in der Beschäftigte langfristig oder gar dauerhaft im Ausland leben und von dort aus arbeiten ist es vielmehr grundsätzlich so:
Im Ausland müssen Sozialversicherungsbeiträge und Steuern abgeführt werden.
Bei Tätigkeiten deutscher Staatsbürger außerhalb der EU wird außerdem in aller Regel ein Aufenthaltstitel zur Erwerbstätigkeit erforderlich sein.
Und auch arbeitsrechtlich ist es mitnichten so, dass in allen Belangen weiterhin deutsches Arbeitsrecht gilt, selbst wenn es vereinbart ist.

29. Februar 2024

Teilzeit nur für beliebte Urlaubszeiten – geht das?

Teilzeit nur für beliebte Urlaubszeiten – geht das?

Sie werden es kennen: Während der Sommermonate (erst recht der Schulferien), über Feiertage oder über die Weihnachtszeit möchten besonders viele Beschäftigte gerne frei haben. Die Urlaubsanträge häufen sich und es ist mitunter schwer, allen gerecht zu werden und den Betrieb trotzdem am Laufen zu halten.

Um sich in diesen Zeiten ihr „Frei“ zu sichern, haben 2 Piloten eines Luftfahrtunternehmens Folgendes gemacht: Sie haben einen Antrag nach § 8 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gestellt, der so aussah, dass ihre Arbeitszeit so reduziert wird, dass sie nur in einem bestimmten (Sommer-)Monat bzw. an bestimmten Tagen frei haben:
Der Teilzeitantrag des einen Piloten sah vor, dass er den Monat Juli sowie die Zeit vom 23.12. bis zum 01. Januar frei haben wollte.
Und beim Teilzeitantrag des anderen Piloten sollten es von März bis September nur jeweils die letzten 4 Tage des einen und die ersten 4 Tage des Folgemonats sein.

Das beklagte und bekannte Luftfahrtunternehmen aus Hessen lehnte die Anträge ab und begründete das u. a. mit einer Betriebsvereinbarung, die bestimmte Zeiten für solche Teilzeitverlangen sperrt.

So gingen beide Fälle vors Gericht und beide Piloten bekamen in 2. Instanz vom Hessischen Landesarbeitsgericht Recht.

Die Folge ist, dass Urlaubsanträge anderer Beschäftigter ggf. abgelehnt werden müssen.

23. Februar 2024

Das Bundessozialgericht und die immer größer werdenden Probleme mit „Solo-Selbständigen“

Das Bundessozialgericht und die immer größer werdenden Probleme mit „Solo-Selbständigen“

Bei der Beschäftigung von „Solo-Selbständigen“ stehen Unternehmen fast immer mit mindestens einem Bein in der sogenannten „Scheinselbständigkeit“.
 
Darum wurde „Solo-Selbständigen“ in der Vergangenheit häufig empfohlen, eine Kapitalgesellschaft (UG oder GmbH) zu gründen, deren Gesellschafter und Geschäftsführer die „Solo-Selbständigen“ dann werden.
 
Und das hauptsächlich aus folgenden Gründen:

  • Das Risiko einer „Scheinselbständigkeit“ mit all seinen sozialversicherungs- und strafrechtlichen Folgen sollte minimiert werden, da „Solo-Selbständige“ auf Basis eines Vertrages tätig werden, der nicht mit ihnen, sondern einer Kapitalgesellschaft geschlossen wird.

  • Risiken einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung mit ebenfalls unangenehmen Folgen sah man auch nicht, da das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden hat, dass die Überlassung eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht in den Anwendungsbereich des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes fällt. 

Die Rechnung der Vermeidung einer „Scheinselbständigkeit“ bei „Solo-Selbständigen“ in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft geht spätestens jetzt nicht mehr auf.