Skip to main content
Blog durchsuchen

Blog

13. Juni 2024

Bote versus Einwurf-Einschreiben

Bote versus Einwurf-Einschreiben

In den vergangenen Jahren haben wir über den Dauerbrenner „Zustellung von Kündigungsschreiben“ gleich mehrfach berichtet; hier die Links zu unseren früheren Berichten aus den Jahren 2017 – 2021: 16.12.2021, 05.06.2019, 11.07.2019, 18.12.2017.

Nun erregt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12.12.2023 (Az.: 15 Sa 20/23) Aufsehen in der Fachpresse. Das Urteil befasst sich einmal mehr mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG einen sogenannten „Beweis des ersten Anscheins“ für den Zugang eines (Kündigungs-)Schreibens begründen kann.

In dem entschiedenen Fall ging es um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen, die der Arbeitgeber zu verschiedenen Zeitpunkten ausgesprochen hatte. Während die erste Kündigung an der fehlenden Zustimmung einer Behörde scheiterte, ging es bei der zweiten Kündigung um die Frage, ob das Kündigungsschreiben der Klägerin überhaupt zugegangen war. Die Klägerin behauptete, die Kündigung nie erhalten zu haben. Der Arbeitgeber hielt dagegen. Er trug vor, die Kündigung per Einwurf-Einschreiben verschickt zu haben. Hierzu legte er den Einlieferungsbeleg sowie den „Sendungsstatus“ vor, aus dem sich ergab, dass die Sendung mit der Nummer aus dem Einlieferungsbeleg an einem bestimmten Tag zugestellt worden sein soll.

Nicht vorlegen konnte der Arbeitgeber eine Reproduktion des Auslieferungsbelegs. Diese hätte nicht nur Datum und Uhrzeit des Einwurfs in den Briefkasten dokumentiert, sondern auch den Namen des Zustellers und dessen Unterschrift. Warum Reproduktion des Auslieferungsbelegs? Weil der Originalauslieferungsbeleg im Anschluss an die erfolgte Zustellung digitalisiert und das Original dabei vernichtet wird. Der Absender kann aber eine Reproduktion des digitalisierten Auslieferungsbelegs auf telefonische Anforderung bei der Deutschen Post AG gegen eine Bearbeitungsgebühr von derzeit 5,00 Euro innerhalb bestimmter Fristen ab Auslieferung anfordern. Das hatte der Arbeitgeber hier offenbar versäumt und konnte deshalb nur den Sendungsstatus vorlegen.

Gerade weil der Sendungsstatus aber nichts über die Person des Zustellers sagt und auch nicht deren Unterschrift enthält, mit der der Einwurf der Sendung bestätigt wird, reicht der Sendungsstatus nach Auffassung des Gerichts nicht aus, um gemeinsam mit dem Einlieferungsbeleg einen Anscheinsbeweis für den Zugang zu begründen.

Damit sind sich mittlerweile drei Kammern des LAG Baden-Württemberg einig darin, dass der Sendungsstatus eines Einwurf-Einschreibens nicht als Anscheinsbeweis für den Zugang taugt.

11. Juni 2024

Abmahnungen – eine Sache nur für Profis?!

Abmahnungen – eine Sache nur für Profis?!

Wie Sie wissen, setzt eine verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich voraus, dass Beschäftigte vorher wegen eines gleichartigen Fehlverhaltens mindestens einmal abgemahnt worden sind.
Was viele nicht wissen: Die Erstellung einer ordnungsgemäßen Abmahnung ist durchaus anspruchsvoll, wie das gerade im Volltext veröffentlichte Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 12.01.2024 (Az.: 7 Ca 1347/23) zeigt.
In dem Verfahren ging es allerdings nicht um die Wirksamkeit einer Kündigung, sondern nur um die Wirksamkeit einer Abmahnung. Abgemahnte haben bekanntlich die Wahl:

  • Sie können schon die Abmahnung gerichtlich überprüfen lassen.
  • Oder Sie machen erstmal nichts oder geben bloß eine Gegendarstellung zur Abmahnung ab; denn sollte es später zu einer verhaltensbedingten Kündigung kommen, würde das Gericht im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses automatisch die Wirksamkeit der Abmahnungen prüfen, so es für die Kündigung wie im Regelfall auf eine vorangegangene Abmahnung ankommt. 

Der Kläger in dem vom Arbeitsgericht Düsseldorf entschiedenen Fall hat sich für Alternative 1 entschieden und schon die Abmahnung auf den gerichtlichen Prüfstand gestellt.

Damit hatte er auch Erfolg. Denn in den Augen der Düsseldorfer Arbeitsrichter war die Abmahnung zu unbestimmt und deshalb schon aus formalen Gründen unwirksam.

05. Juni 2024

Die Tücken einer privaten Krankenversicherung im Arbeitsverhältnis

Die Tücken einer privaten Krankenversicherung im Arbeitsverhältnis

Anlass für diesen Newsletter ist folgender Fall:
Eine längere Zeit kranke Arbeitnehmerin staunt nicht schlecht, als die 6-wöchige Lohnfortzahlung rum ist und ihre private Krankenversicherung kein Krankengeld zahlt, weil die Arbeitnehmerin keine private Krankentagegeldversicherung abgeschlossen hat.
Ihr Ziel ist es daher, so schnell wie möglich wieder gesund zu werden. Deshalb möchte sie bei ihrem Arbeitgeber eine stufenweise Wiedereingliederung nach dem sogenannten Hamburger Modell machen. Wie die meisten von Ihnen wissen, ist es beim Hamburger Modell so, dass Beschäftigte mit einer geringen wöchentlichen Arbeitszeit von z. B. 10 Stunden/Woche starten und dann sukzessive an die vereinbarte Arbeitszeit herangeführt werden sollen.
Wie die meisten von Ihnen ebenfalls wissen, ist die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell aber keine Teilzeit, sondern eine Maßnahme der Rekonvaleszenz. Arbeitsrechtlich gesehen sind Beschäftigte während dieses Zeitraums also weiterhin arbeitsunfähig erkrankt.
Da die Arbeitnehmerin in unserem Ausgangsfall keine private Krankentagegeldversicherung hat, gibt es in ihrem Fall vom Versicherer deshalb nach wie vor kein Geld.

Jetzt wandeln wir den Ausgangsfall ab:
Dieses Mal hat die Arbeitnehmerin eine private Krankentagegeldversicherung.
Wie sieht es jetzt mit der stufenweisen Wiedereingliederung aus?

Das Ergebnis wird viele von Ihnen überraschen: Die Bedingungen vieler privater Krankenversicherer besagen, dass schon die geringste Arbeitsleistung zum Ausschluss des Anspruchs auf Krankentagegeld führt. Hiernach wird Krankentagegeld also nur bei „0 Arbeit“ gezahlt.

Dass die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell arbeitsrechtlich gesehen keine Teilzeit ist, juckt die Versicherer wenig. Denn Versicherungsrecht ist nun mal kein Arbeitsrecht.

Deshalb haben sich einige private Krankenversicherer aufgemacht und Krankentagegeldversicherungen entwickelt, bei denen Krankentagegeld auch bei einer bloß teilweisen Arbeitsleistung gewährt wird. Das allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum, der oft kürzer ist als die reguläre Dauer einer stufenweisen Wiedereingliederung.

Privat krankenversicherte Beschäftigte sind also gut beraten, wenn sie

👉 eine private Krankentagegeldversicherung abschließen, die ihnen ein bestimmtes Einkommen nach Ablauf des gesetzlichen Lohnfortzahlungszeitraums sichert und

👉 sich einen Tarif aussuchen, der ihnen das Krankentagegeld auch während einer stufenweisen Wiedereingliederung ermöglicht.

Leistet ein Arbeitgeber länger als 6 Wochen Lohnfortzahlung, kann die Krankentagegeldversicherung entsprechend angepasst werden; je später die Versicherung zahlen muss, desto preiswerter sind Krankentagegeldversicherungen übrigens.

29. Mai 2024

Neu und wichtig: Beim Thema Massenentlassungsanzeige bahnt sich ein Ergebnis an

Neu und wichtig: Beim Thema Massenentlassungsanzeige bahnt sich ein Ergebnis an

Die Frage, ob Massenentlassungen ohne (ordnungsgemäße) Anzeige wirksam sind, hat zu Streit zwischen dem 2. und dem 6. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geführt.
Hierüber hatten wir schon mehrfach berichtet, zuletzt in unserem Newsletter vom 08.01.2024.

Der 2. Senat des BAG vertritt (schon seit Jahren) die Auffassung, dass bestimmte Fehler bei der Anzeige der Entlassungen gegenüber der zuständigen Behörde dazu führen, dass die Kündigungen unwirksam sind.
Der 6. Senat hingegen war der Meinung, dass „alle denkbaren Fehler im Anzeigeverfahren nicht zur Nichtigkeit der Kündigung führen.“ Selbst eine vollständig unterlassene Anzeige bei der Arbeitsagentur hätte dann keine Auswirkungen auf deren Wirksamkeit.
 
Da die deutsche Gesetzgebung (§§ 17 ff KSchG) auf einer europäischen Richtlinie (Richtlinie 98/59/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen, kurz MERL) fußt, hat der 2. Senat des BAG den Europäischen Gerichtshof (EuGH) angerufen, um den Streit zu schlichten. Die Fragen, die der 2. Senat dem EuGH gestellt hat, haben wir in unserem Newsletter vom 08.01.2024 dargestellt.
 
Noch bevor der EuGH die Gelegenheit hatte sich dazu zu äußern, stellt der 6. Senat nun seinerseits Fragen an den EuGH. Diese Fragen decken sich teilweise mit denen, die der 2. Senat bereits gestellt hat; sie ergänzen sie aber auch.
 
Im Folgenden haben wir Ihnen die ursprünglichen Fragen des 2. Senats in schwarz dargestellt und die Ergänzungen des 6. Senats in roter Schrift hinzugefügt. Den Wortlaut der Massenentlassungsrichtlinie haben wir in blau ergänzt.

So betrachtet lauten die Fragen wie folgt:

  1. Ist Art. 4 Abs. 1 MERL dahin auszulegen, dass eine Kündigung im Rahmen einer anzeigepflichtigen Massenentlassung das Arbeitsverhältnis eines betroffenen Arbeitnehmers erst beenden kann, wenn die Entlassungssperre abgelaufen ist?

    Art. 4 Abs. 1 MERL
    „Die der zuständigen Behörde angezeigten beabsichtigten Massenentlassungen werden frühestens 30 Tage nach Eingang der in Artikel 3 Absatz 1 genannten Anzeige wirksam […].“

    Sofern die erste Frage bejaht wird:

  2. Setzt das Ablaufen der Entlassungssperre nicht nur eine Massenentlassungsanzeige voraus, sondern muss diese den Vorgaben in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 MERL genügen?

    Ergänzung durch 6. Senat:
    Ist der Zweck der Massenentlassungsanzeige erfüllt und somit eine Sanktion entbehrlich, wenn die nationale Arbeitsagentur eine – objektiv fehlerhafte – Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet, um ihren Aufgaben innerhalb der Fristen des Art. 4 MERL nachkommen zu können?

    Gilt dies jedenfalls dann, wenn die Erreichung des Zwecks von Art. 3 MERL durch eine nationale arbeitsförderungsrechtliche Vorschrift sichergestellt ist und/oder die nationale Arbeitsagentur eine Pflicht zur Amtsermittlung hat?

  3. Kann der Arbeitgeber, der anzeigepflichtige Kündigungen ohne (ordnungsgemäße) Massenentlassungsanzeige ausgesprochen hat, eine solche mit der Folge nachholen, dass nach Ablaufen der Entlassungssperre die Arbeitsverhältnisse der betreffenden Arbeitnehmer durch die bereits zuvor erklärten Kündigungen beendet werden können?

    Sofern die erste und die zweite Frage bejaht werden:

  4. Ist es mit Art. 6 MERL vereinbar, wenn das nationale Recht es der zuständigen Behörde überlässt, für den Arbeitnehmer unanfechtbar und für die Gerichte für Arbeitssachen bindend festzustellen, wann die Entlassungssperre im konkreten Fall abläuft, oder muss dem Arbeitnehmer zwingend ein gerichtliches Verfahren zur Überprüfung der Richtigkeit der behördlichen Feststellung eröffnet sein?

    Art. 6 MERL
    „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen.“

    Ergänzung durch 6. Senat:
    Wenn bei einer fehlerhaften oder fehlenden Massenentlassungsanzeige die Entlassungssperre nach Art. 4 Abs. 1 MERL die Sanktion für Fehler bei der Anzeige sein sollte, welcher Anwendungsbereich verbleibt dann insoweit noch für Art. 6 MERL?

Betrachtet man die Vorlagefragen so zusammenhängend, drängt sich der Eindruck auf, als habe der 6. Senat bereits akzeptiert, dass jedenfalls der vollständige Verzicht auf eine Massenentlassungsanzeige zur Unwirksamkeit der Kündigungen führen muss.

27. Mai 2024

Konfliktlösung, wenn es keinen rechtlich relevanten Trennungsgrund gibt/Partnerschaften am Arbeitsplatz

Konfliktlösung, wenn es keinen rechtlich relevanten Trennungsgrund gibt/Partnerschaften am Arbeitsplatz

Claudia Tödtmann von der Wirtschaftswoche hat in ihrem Management-Blog am Sonntag ein wichtiges Thema aufgegriffen, über das wir uns im Vorfeld intensiv mit ihr ausgetauscht haben.
Den Beitrag von Claudia Tödtmann finden Sie hier.

Das von Claudia Tödtmann am Beispiel des jüngsten Falls bei Siemens diskutierte Thema lautet:

Wie kann bzw. sollte eine Konfliktlösung aussehen, wenn es keinen rechtlich relevanten Trennungsgrund gibt?

Das Thema betrifft alle Unternehmen. Denn jedes Unternehmen steht häufig in folgendem Dilemma:
Aus unternehmerischen Gründen ist eine Trennung sinnvoll oder sogar geboten.
Eine Kündigung würde einer gerichtlichen Überprüfung aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht standhalten.

Insoweit können wir Claudia Tödtmann in ihrem Beitrag nur zustimmen:
Auch aus unserer Sicht ist es ein Fehler, solchen Beschäftigten zu kündigen und eine langwierige Auseinandersetzung mit ihnen zu führen, die man nicht gewinnen kann.

Nach unserer Erfahrung in vielen vergleichbaren Fällen ist es vielmehr so: