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09. Juli 2024

Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung

Die Wachstumsinitiative der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat am 05.07. eine Wachstumsinitiative verabschiedet, die für wirtschaftliche Dynamik in Deutschland sorgen soll.

Hier der Link zum Punkteplan der Bundesregierung, der die Wirtschaft ankurbeln soll.

Machen Sie sich gerne selbst ein Bild.

Punkt 27, wonach ausländische Fachkräfte in den ersten drei Jahren steuerlich begünstigt werden sollen, hat jedenfalls schon für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht fallen insbesondere Punkt 20 und 24 auf.

Durch Punkt 20 sollen fleißige Beschäftigte besonders belohnt werden:

Mehrarbeit honorieren und Flexibilität ermöglichen:
Die Bundesregierung wird die folgenden Maßnahmen umsetzen, um flexiblere Arbeitsmodelle zu ermöglichen und Mehrarbeit angemessen zu honorieren:
 
a. Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuer- und beitragsfrei gestellt. Als Vollzeitarbeit gilt dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten von 40 Stunden.
 
b. Die Bundesregierung wird einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen: Wenn Arbeitgeber eine Prämie für die Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, wird die Bundesregierung diese Prämie steuerlich begünstigen. Missbrauch werden wir ausschließen.
 
c. Die Bundesregierung wird eine begrenzte Möglichkeit zur Abweichung von den derzeit bestehenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes hinsichtlich der
Tageshöchstarbeitszeit schaffen, wenn Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen auf Grund von Tarifverträgen dies vorsehen. Die Regelung wird befristet und evaluiert.
Wir wollen bei der Weiterentwicklung des Arbeitsrechts Vertrauensarbeitszeit auch zukünftig möglich machen.
 
d. In den vergangenen Jahren blieb ein immenses Potenzial des Arbeitsmarktes auch aufgrund des erhöhten Krankenstandes der Arbeitnehmenden ungenutzt.
Die Bundesregierung wird die während der Corona-Pandemie geltenden Sonderregelungen zur telefonischen Krankschreibung durch Arztpraxen überprüfen und ggf. im Rahmen einer möglichst bürokratiearmen Lösung anpassen.

Und in Punkt 24 soll die Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze mit folgenden Aussagen gestärkt werden:

03. Juli 2024

Wichtiges Urteil zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Wichtiges Urteil zur sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz

Wir applaudieren heute dem Arbeitsgericht Solingen! Es hat in seinem Urteil vom 11.04.2024 – Az.: 2 Ca 1497/23 – in bemerkenswerter Deutlichkeit klargestellt:

  • Jede sexuelle Belästigung ist objektiv unerwünscht und kann grundsätzlich und ohne vorangegangene Abmahnung eine fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber rechtfertigen, ohne dass es auf die Schwere der Belästigung ankommt.

  • Im Arbeitsrecht (anders als im Strafrecht) kommt es nicht auf den geäußerten entgegenstehenden Willen des Opfers und damit nicht auf eine Erkennbarkeit für den Täter/die Täterin an; der im Strafrecht angewandte, umstrittene Grundsatz „nur nein ist nein“ gilt im Arbeitsrecht nicht, auch der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt bei § 3 IV AGG nicht.

  • Ist das Parteivorbringen des Arbeitgebers schlüssig und durch Schriftstücke untermauert, der Vortrag des Arbeitnehmers hingegen als Ablenkungsmanöver, Legendenbildung und Schutzbehauptung im Ergebnis unverwertbar, kann das Gericht auf Basis des Parteivorbringens zu einem Urteil gelangen, ohne das Opfer einer belastenden Vernehmungssituation auszusetzen. 

Die amtlichen Leitsätze, die die wichtigsten Erkenntnisse der Entscheidung zusammenfassen, lassen bereits erahnen, wie drastisch die Vorfälle waren, und wie das Gericht damit umgegangen ist. Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Urteil haben wir bereits oben sinngemäß wiedergegeben. Außerdem heißt es in den Leitsätzen (zusammengefasst):

  • Objektiv unerwünscht und damit eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG ist jeweils

    - die Aufforderung eines Arbeitnehmers zur oralen Befriedigung an eine Auszubildende, die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat,

    - die Aufforderung eines Arbeitnehmers an eine Auszubildende, die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat, zum Anfassen des Genitals und/oder zum Anfassen lassen im eigenen Genitalbereich/an der Brust,

    - das Ablecken/Küssen des Nackens einer Auszubildenden, die sich aus Angst nicht dagegen gewehrt hat,

    - die Aufforderung zur Nackenmassage an eine Auszubildende.

  • Eine vom Kläger bestrittene sexuelle Belästigung im Rahmen einer 4-Augen-Situation kann als Verdachtskündigung wirksam sein.

  • Im Arbeitsverhältnis kommt es bei der Einordnung einer sexuellen Belästigung immer entscheidend auf das vorhandene Machtgefälle zwischen Täter und Opfer an. 

Dem entschiedenen Fall lag ein Sachverhalt zugrunde, der nichts für Zartbesaitete ist. Wir möchten uns deshalb hier nicht mit den Details der Belästigungen befassen, die Interessierte unter dem Aktenzeichen selbst nachlesen können.

Uns ist es aber ein Anliegen, auf die Kernaussagen des Urteils hinzuweisen, weil das Thema der sexuellen Belästigung jeden betreffen kann – und konsequentes Handeln wichtig ist. Das Arbeitsgericht Solingen stärkt Arbeitgebern dabei den Rücken.

Das Gericht hat sich eindrucksvoll mit verschiedenen, typischen Facetten von Missbrauchskonstellationen auseinandergesetzt, wie zum Beispiel: Das Machtgefälle zwischen Täter/in und Opfer, die sich stetig steigernde Intensität von aufeinanderfolgenden sexuell motivierten Übergriffen, das Ausnutzen von 4-Augen-Situationen und der Umgang damit im Rahmen der Beweisführung, typisches Nachtatverhalten von Täter/innen mit Schutzbehauptungen, Täter-Opfer-Umkehr/Legendenbildung und „Opfershaming“.

Rechtlicher Ausgangspunkt war eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, gestützt auf eine sexuelle Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG in mehreren Fällen.

28. Juni 2024

Vorsicht Falle: Sozialauswahl bei einer Betriebsstilllegung in Etappen

Vorsicht Falle: Sozialauswahl bei einer Betriebsstilllegung in Etappen

Heute soll es um die Sozialauswahl bei etappenweiser Betriebsstilllegung gehen.
Anlass hierfür gibt uns das gerade im Volltext veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 09.01.2024 (Az.: 3 Sa 687/23).

Was war passiert?

Ein Solinger Felgenhersteller hatte den Entschluss gefasst, seinen Geschäftsbetrieb stillzulegen.
Der Felgenhersteller kündigte dem Gros der Beschäftigten per 31.03.2023. Einem Teil der Beschäftigten, denen auch per 31.03.2023 hätte gekündigt werden können, wurde allerdings erst per 30.06.2023 gekündigt; denn es gab über den 31.03.2023 hinaus noch Abwicklungsarbeiten.
Ein Beschäftigter, der bereits zum 31.03.2023 gekündigt worden war, klagte und bekam sowohl in erster Instanz (Arbeitsgericht Solingen) als auch in zweiter Instanz (Landesarbeitsgericht Düsseldorf) recht.

Was wurde dem Reifenhersteller zum Verhängnis?

20. Juni 2024

Wichtige News zum Nachweisgesetz

Wichtige News zum Nachweisgesetz

Im März dieses Jahres hatte folgende Ankündigung von Justizminister Buschmann für viel Furore gesorgt: Für die nach dem Nachweisgesetz erforderlichen Nachweise soll künftig Textform genügen, sodass Arbeitsverträge z. B. auch per E-Mail geschlossen werden können.

Aus den in unserem Newsletter vom 25.03.2024 genannten Gründen mussten wir den damit verbundenen Erwartungen der Unternehmen einen Dämpfer verpassen. Denn heutzutage steht in nahezu jedem Arbeitsvertrag (und sollte dort auch stehen), dass das Arbeitsverhältnis mit Erreichen der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung endet. Diese Regelung ist aber eine Befristung. Und für Befristungen gilt nach § 14 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes Schriftform.
Genau die in § 14 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes verankerte Schriftform sollte – nach den damaligen Plänen der Ampel-Koalition – jedoch nicht geändert werden. Die damalige Aussage, dass Arbeitsverträge künftig z. B. per E-Mail geschlossen werden können, ging also vollkommen an der Realität vorbei.

Das soll sich nun ändern.
Denn jetzt soll auch § 41 SGB VI geändert bzw. folgenden neuen Absatz 2 bekommen:

„Eine Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Textform. § 14 Absatz 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes gilt nicht.“

Parallel dazu soll das Nachweisgesetz dahingehend geändert werden, dass für den Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingen die Textform – in der Regel – ausreichend sein soll.
Die neuen maßgeblichen Passagen sollen lauten (der rote Text ist neu):

§ 2 Nachweispflicht
(1) 1Der Arbeitgeber hat die wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses innerhalb der Fristen des Satzes 9 schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. 2Die Niederschrift nach Satz 1 kann in Textform (§ 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs) abgefasst und elektronisch übermittelt werden, sofern das Dokument für den Arbeitnehmer zugänglich ist, gespeichert und ausgedruckt werden kann und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordert, einen Empfangsnachweis zu erteilen. 3Im Fall des Satzes 2 hat der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers die Niederschrift unter Hinweis auf den Geltungsbeginn der wesentlichen Vertragsbedingungen unverzüglich in der Form der Sätze 1 und 8 zu erteilen. 4Satz 3 gilt entsprechend, wenn die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht nachgewiesen wurden. 5Die Verjährung des Anspruchs nach den Sätzen 3 und 4 beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem das Arbeitsverhältnis endet. 6Die Sätze 2 bis 5 finden keine Anwendung auf Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes tätig sind. 7In die Niederschrift sind mindestens aufzunehmen: 

18. Juni 2024

Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende – Schriftform der Kündigung im Arbeitsverhältnis

Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende – Schriftform der Kündigung im Arbeitsverhältnis

Kündigungen und Aufhebungsverträge gehören zum Daily HR Business, und in einer schnelllebigen Arbeitswelt sind oft schnelle und pragmatische Lösungen gefragt.

Aber Achtung: Sorgen Sie bei allem Pragmatismus dafür, dass die gesetzlich vorgegebenen Formvorschriften eingehalten werden! Das gilt insbesondere für die Schriftform bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses – versäumen Sie die Formerfordernisse, kann daraus schnell ein Schrecken ohne Ende werden.

Zuletzt haben wir uns in unserem Newsletter vom 13.09.2023 mit der Schriftform befasst. Dort können Sie u.a. nachlesen, dass die Schriftform auch bei der vorzeitigen Beendigung im Rahmen einer „Turboklausel“ gilt, und dass WhatsApp-Nachrichten Arbeitsverhältnisse nicht wirksam beenden können.

Da viele Arbeitgeber sich im Zuge von Trennungen anwaltlich beraten lassen, möchten wir anlässlich einer aktuellen Entscheidung des LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 12.12.2023, Az.: 15 Sa 20/23) eine weitere und in der Praxis häufige Konstellation beleuchten: Die Kündigung durch den Anwalt.

Manches ist so wichtig, dass wir es gerne wiederholen: In dem schon zitierten Newsletter vom 13.09.2023 hatten wir bereits erklärt, dass eine Erklärung von Anwalt zu Anwalt im elektronischen Rechtsverkehr die nach §§ 623, 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) notwendige Schriftform nicht wahrt.
Ausgangspunkt war die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 09.05.2023 (Az.: 2 Sa 146/22), der folgender Fall zugrunde lag:
Der Anwalt eines Arbeitnehmers wollte für seinen Klienten nach einem gerichtlichen Vergleich von einer „Turbo-Klausel“ Gebrauch machen und das Arbeitsverhältnis vorzeitig beenden. Zu diesem Zweck übermittelte er an den Anwalt des Arbeitgebers ein Kündigungsschreiben mit qualifizierter elektronischer Signatur per beA; eine schriftliche Kündigung gab es nicht. Der Arbeitgeber hielt das für unwirksam und weigerte sich, den „Turbo“ anzuwenden. Der Fall ging also wieder vor Gericht, und der Arbeitnehmer (und sein Anwalt) erhielten eine deutliche Abfuhr: Denn die erforderliche Schriftform für die vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses war durch die Übermittlung per beA nicht gewahrt.