Zum Hauptinhalt springen
Blog durchsuchen

Blog

18. September 2025

Equal Pay – ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Equal Pay – ein Erfahrungsbericht aus der Praxis

Die Uhr tickt: Am 07.06.2026 läuft die Frist für den Gesetzgeber zur Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie ab.
Viel Zeit bleibt also nicht mehr. Und diese Zeit sollten Unternehmen nutzen, und zwar jetzt.
 
Hier ein Erfahrungsbericht, der zeigt, warum das so ist:
 
Alles fängt mit ordentlichen Stellenbeschreibungen an. Ohne ordentliche Stellenbeschreibungen werden Unternehmen scheitern.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele der bereits vorhandenen Stellenbeschreibungen zwar dem Nachweisgesetz genügen, aber keine Grundlage für ein transparentes, gerechtes und diskriminierungsfreies Vergütungsmodell sein können.
 
Um sicherzustellen, dass gleiche und gleichwertige Arbeit gleich vergütet wird, müssen die Stellenbeschreibungen die Arbeitsplatzkriterien im Blick haben, die von der EU-Richtlinie zwingend vorgegeben werden. Und das sind: Kompetenzen, Verantwortung, Belastungen und Arbeitsbedingungen.
Anders gesagt: Diese 4 Kriterien sollten den Rahmen für die Stellenbeschreibungen vorgeben.
 
Wenn das für den Arbeitsplatz von Bedeutung ist, dürfen auch weitere Kriterien berücksichtigt werden; auch relevante soziale Kompetenzen sollten nicht fehlen.
 
Die uns vorgelegten Stellenbeschreibungen enthielten zwar Angaben zu den Kriterien Kompetenzen und Verantwortung; viele Stellenbeschreibungen waren hier allerdings noch viel zu dünn. Denn wenn es im zweiten Schritt um die Entwicklung einzelner Niveaustufen innerhalb der Kriterien und deren Bewertung geht, ist z. B. Verantwortung ja nicht = Verantwortung. So macht es einen Unterschied, ob ich eine Budgetverantwortung von EUR 50.000,00 oder EUR 500.000,00 habe oder ob mir 10 oder 100 Beschäftigte unterstellt sind.
 
Bei den Kriterien Belastungen und Arbeitsbedingungen sah es bei den meisten Stellenbeschreibungen ganz düster aus, weil sie gar nicht sichtbar waren.
 
Sie sehen also: Schon die Erstellung ordentlicher Stellenbeschreibungen, mit denen Sie den Grundstein legen, macht Arbeit.
 
Das gilt sowohl für Unternehmen mit als auch ohne Tarifbindung.
Die HR Interim Managerin Andrea Kusemann hat in ihrem Beitrag „Entgelttransparenzgesetz: Warum Tarifbindung nicht automatisch schützt“ zurecht darauf hingewiesen, dass auch tarifgebundene Unternehmen begründen müssen,

  • warum sie bei ähnlichen Tätigkeiten den einen Arbeitnehmer in die EG 8 und den anderen Arbeitnehmer in die EG 7 eingruppieren und
  • dass viele tarifgebundene Unternehmen außertarifliche Zulagen geben, die ebenfalls begründbar sein müssen.

Es gibt also viel zu tun, packen Sie’s an!

Und wenn Sie einen Einstieg in das Thema brauchen, sprechen Sie uns gerne an. Wir haben zur Einführung in das Thema bereits im vergangenen Jahr eine Info-Kampagne mit etlichen Beiträgen gestartet, die wir Interessierten gerne zur Verfügung stellen.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

16. September 2025

Der Abfindungsrechner des LAG Köln bei Auflösungsanträgen

Der Abfindungsrechner des LAG Köln bei Auflösungsanträgen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln sprach in seinem Urteil vom 09.07.2025 (Az.: 4 SLa 97/25) einer Arbeitnehmerin, die vom Geschäftsführer in widerlicher Art und Weise sexuell belästigt und – als sie sich widersetzte – gekündigt wurde, eine satte Abfindung in Höhe von EUR 68.153,80 zu.
Rechtsgrundlage für die vom LAG Köln ausgeurteilte Abfindung war der von der Arbeitnehmerin gem. § 9 Absatz 1 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes gestellte Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Abfindungszahlung aufzulösen, weil die Kündigung zwar sozialwidrig, aber ihr eine Weiterbeschäftigung unzumutbar war.
 
Wenn man sich mit den Details des Falls befasst, kann man nur sagen: Richtig so!
 
Uns Arbeitsrechtler interessiert aber natürlich auch die Begründung für die sehr hohe Abfindung, die das LAG Köln ausgeurteilt hat.
Die betroffene Arbeitnehmerin war seit 4,4 Jahren beschäftigt und hat zuletzt EUR 7.744,75/Monat verdient.
Das LAG Köln hat also einen Abfindungsfaktor von 2,0 (= das 4-fache der sogenannten Regelabfindung) angewandt.
 
Das LAG Köln begründet ausführlich, wie es zu diesem Abfindungsfaktor kommt, und das geht so:

  • Die Regelabfindung mit Faktor 0,5 kann nur angewendet werden, wenn die Wirksamkeit der Kündigung noch im Streit steht und das Ergebnis ungewiss ist.
  • Da bei einem Auflösungsantrag die Rechtswidrigkeit der Kündigung feststeht, geht das LAG Köln von einem Abfindungsfaktor von 1,0 als Basis aus.
  • Das LAG Köln hat den Faktor 1,0 dann gleich 2 x um den Faktor 0,5 erhöht.
    ➡️ Die erste Erhöhung erfolgte, weil die von der Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung grob sozialwidrig war.
    ➡️ Und die zweite Erhöhung begründete das LAG Köln mit der erheblichen Persönlichkeitsverletzung und den damit verbundenen psychischen Belastungen der Arbeitnehmerin. 

Begründung der Kölner Landesarbeitsrichter:
„Es ist grundsätzlich eine besonders hohe Abfindung festzusetzen, wenn der Arbeitgeber die Auflösungsgründe schuldhaft herbeigeführt hat.
[…] Der Abfindung kommt ähnlich dem Schmerzensgeld bei Persönlichkeitsverletzungen Genugtuungsfunktion zu.“

Trotz allem Verständnis für die Entscheidung in diesem Fall – man muss darüber streiten, ob der vom LAG Köln nur wegen der Sozialwidrigkeit der Kündigung (die Voraussetzung für den Auflösungsantrag ist) zu Grunde gelegte Basiswert eines Abfindungsfaktors in Höhe von 1,0 sachgerecht ist. Wir denken hier an einen Auflösungsantrag gegenüber einem leitenden Angestellten im Sinne von § 14 Absatz 2 Kündigungsschutzgesetz oder gegenüber einem Arbeitnehmer, mit dem aufgrund seines Verhaltens eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar ist.

Was den Abfindungsfaktor für Auflösungsanträge gegenüber leitenden Angestellten anbelangt, möchten wir auch auf unseren Beitrag vom 29.06.2021 verweisen.

 Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

15. September 2025

Kappung von Plusstunden

 Kappung von Plusstunden

Gleitzeitregelungen, in denen Beschäftigte Plus- und Minusstunden aufbauen können, sind en vogue.
 
In aller Regel ist die Anzahl der Plus- und Minusstunden, die Arbeitnehmer machen dürfen, gedeckelt.
 
Wird dieser Deckel bei Plusstunden überschritten, sieht das Reglement oder (wenn es einen Betriebsrat gibt) die Betriebsvereinbarung oft vor, dass die über den Deckel hinausgehenden Stunden gekappt werden. Deshalb nennt man den Deckel gerne Kappungsgrenze.
 
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf musste in seinem jüngst veröffentlichen Urteil vom 27.03.2025 (Az: 11 SLa 594/24) nun folgende Frage beantworten:
 
Dürfen die über den Deckel hinausgehenden Plusstunden auch bei freigestellten BR-Mitgliedern gekappt werden?
 
Und diese Frage haben die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter mit einem klaren Nein beantwortet.
 
Begründung:
Für den Ausgleich für Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit gilt ausschließlich § 37 Abs. 3 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). § 37 Abs. 3 BetrVG ist zwingend und kann weder durch Tarifvertrag noch durch Betriebsvereinbarung oder eine Arbeitszeitrichtlinie geändert werden.
 
Und was gilt für Arbeitnehmer, die keine freigestellten BR-Mitglieder sind? Darf bei ihnen gekappt werden?
 
Das LAG Düsseldorf hat diese Frage wegen § 37 Abs. 3 BetrVG offengelassen.
 
Antwort hierauf gibt das schon ältere Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 12.01.2012 (Az: 5 Sa 269/11):
 
Die Kappung von Plusstunden ist zulässig.
 
Begründung:
Das Risiko der Kappung von Plusstunden ist der „Preis“ für die Freiheit, die Arbeitszeit im Rahmen der Gleitzeit selbständig einteilen zu können.
 
Leider musste das BAG die Frage in dem sich anschließenden Revisionsverfahren damals nicht entscheiden. Der damalige Kläger war nämlich mittlerweile beim Arbeitgeber ausgeschieden. Das BAG konnte sich daher mit der Feststellung begnügen, dass eine Gutschrift der Plusstunden auf dem Arbeitszeitkonto nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich ist.
 
Wenn man bedenkt, dass das BAG unter bestimmten Voraussetzungen sogar die Kappung von Überstunden für zulässig hält, würde es bei der Kappung von Plusstunden wohl (erst recht) nicht anders entscheiden.

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

09. September 2025

Kündigung ohne Schriftform? BAG schafft Klarheit für Auslandskündigungen

Kündigung ohne Schriftform? BAG schafft Klarheit für Auslandskündigungen

Gerade in Unternehmen mit ausländischen Konzernmüttern fehlt es häufig am Verständnis für das deutsche Schriftformgebot bei Kündigungserklärungen. Nach § 623 BGB müssen Kündigungen in Deutschland zwingend schriftlich („wet-ink“) erfolgen – mündliche oder elektronische Erklärungen sind unwirksam.
 
Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch bereits mit Urteil vom 22.08.2024 (2 AZR 251/23) entschieden, dass Kündigungen, die vom Ausland aus ausgesprochen werden, nicht zwingend der deutschen Schriftform unterliegen.
Maßgeblich ist vielmehr das Recht des Ortes, an dem die Kündigung erklärt wird; und zwar unabhängig davon, welches Recht im Übrigen anwendbar ist. Für ältere Arbeitsverträge ergibt sich das aus Art. 11 EGBGB a.F., für neuere Verträge aus Art. 11 Rom I-VO. 
Wird eine Kündigung also beispielsweise von Chicago aus per E-Mail übermittelt, gelten die dortigen Formerfordernisse – und das US-Recht kennt kein Schriftformerfordernis.
 
Diese Linie hat das BAG nun mit mehreren Entscheidungen vom 18.06.2025 (u.a. 2 AZR 97/24 (B) ausdrücklich bestätigt.
 
Kündigungsfristen: deutsches Recht bleibt anwendbar
Besonders hervorzuheben ist, dass das BAG zugleich klargestellt hat:
Für die Dauer der Kündigungsfrist gilt deutsches Recht (§ 622 Abs. 2 BGB). 
Diese Vorschrift ist nach Auffassung des Gerichts eine „zwingende Bestimmung“ im Sinne des internationalen Privatrechts und bleibt deshalb anwendbar (Art. 30 EGBGB a.F., bzw. Art. 8 Rom I-VO). Selbst wenn die Parteien – wie hier – US-amerikanisches Recht gewählt haben, kann der Arbeitnehmer nicht schlechter gestellt werden. 
 
Das bedeutet: Während die Form der Kündigung nach dem Recht des Erklärungsorts beurteilt wird, richtet sich die Frist nach deutschem Recht.
 
Besonderheit: Klagefrist
Unverändert bleibt allerdings: Die dreiwöchige Klagefrist des § 4 KSchG beginnt nur zu laufen, wenn dem Arbeitnehmer eine Kündigung in Schriftform zugeht. Geht ihm die Kündigung z. B. per E-Mail aus den USA zu, läuft diese Frist nicht an – der Arbeitnehmer kann die Wirksamkeit auch später noch gerichtlich überprüfen lassen. 
Für Arbeitgeber bedeutet dies: Auch wenn eine formlose Kündigung im Einzelfall nach ausländischem Recht wirksam sein kann, entsteht durch fehlende Schriftform ein erhebliches Prozessrisiko in Deutschland.
 
Konsequenz für die Praxis
Formlose Kündigungen aus dem Ausland können im Einzelfall wirksam sein. Arbeitgeber müssen aber bei der Berechnung der Kündigungsfrist die deutschen Fristenregelungen nach § 622 BGB beachten – und für den Fristbeginn nach § 4 KSchG bedenken, dass nur eine schriftliche Kündigung die Dreiwochenfrist auslöst. 
 
Empfehlenswert bleibt es daher, Kündigungen auch in internationalen Konstellationen immer schriftlich zu erklären, um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden und einheitliche Standards sicherzustellen.

 

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!

08. September 2025

Kein Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub durch Prozessvergleich – Der Volltext des BAG-Urteils ist da!

Kein Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub durch Prozessvergleich – Der Volltext des BAG-Urteils ist da!

In unserem Beitrag vom 03.06.2025 hatten wir bereits die Pressemitteilung des BAG-Urteils vom 03.06.2025 (Az: 9 AZR 266/24) kommentiert, in der das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied:

Arbeitnehmer können nicht wirksam auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub verzichten, auch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs. 

Nach Veröffentlichung des Volltextes der Entscheidung möchten wir die Feststellungen des BAG gerne folgendermaßen präzisieren: 

  • Im bestehenden Arbeitsverhältnis können Arbeitnehmer - selbst durch einen gerichtlichen Vergleich - nicht wirksam über ihren gesetzlichen Mindesturlaub verfügen. Ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub verstößt gegen § 13 Abs. 1 Satz 3 des Bundesurlaubsgesetzes und ist nach § 134 BGB unwirksam.

  • Ebenso unwirksam ist eine Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer, wonach er den gesetzlichen Mindesturlaub tatsächlich in Anspruch genommen hat (sog. Tatsachenvergleich), obwohl er ihn unstreitig nicht genommen hat.
    Das BAG sagt hierzu wörtlich: 
    „Bestand jedoch zwischen den Arbeitsvertragsparteien bei Vertragsschluss kein Streit im Tatsächlichen über Urlaubsansprüche, die von der Vereinbarung erfasst werden, besteht kein Raum für einen Tatsachenvergleich.“
    Da der Arbeitnehmer im entschiedenen Fall langzeitkrank war, konnte er den Mindesturlaub unstreitig nicht in Anspruch nehmen.

  • Arbeitnehmer verhalten sich grundsätzlich nicht treuwidrig, wenn sie per (Tatsachen-) Vergleich auf den Mindesturlaub verzichten und ihn hinterher doch verlangen. Arbeitgeber können laut BAG allein aufgrund einer gesetzeswidrigen „Verzichtserklärung“ nicht darauf vertrauen, dass deren Unwirksamkeit später nicht mehr geltend gemacht wird. 
    Hinzukommen müssen vielmehr weitere Vertrauenstatbestände, die es im entschiedenen Fall nicht gab.

Quintessenz:

  • Arbeitnehmer können bloß auf den (tarif-) vertraglichen Mehrurlaub, nicht aber den gesetzlichen Mindesturlaub verzichten.

  • Ein Tatsachenvergleich über den gesetzlichen Mindesturlaub kommt nur in Betracht, wenn die Inanspruchnahme des Urlaubs tatsächlich im Streit war. Meistens schwierig.
    Möglich bleibt der Verzicht auf den (tarif-)vertraglichen Mehrurlaub.

  • Weiterhin möglich ist auch der Verzicht auf die finanzielle Abgeltung von Mindest- und Mehrurlaub (sog. Urlaubsabgeltung). Aber Achtung: Auf die Urlaubsabgeltung kann erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses verzichtet werden.

  • Arbeitgeber sollten Urlaubsansprüche nicht vorschnell in Abfindungen einpreisen. Sie sollten sich auch nicht darauf verlassen, dass Urlaube während einer Freistellung verbraucht werden; Turboklauseln und eine AU können hier schnell einen Strich durch die Rechnung machen. Aber auch hierfür gibt es kreative Lösungen; sprechen Sie uns gerne an.

 

Unsere Blogbeiträge gibt es auch als Newsletter. Melden Sie sich hier an und erhalten Sie aktuelle Informationen aus der Welt des Arbeitsrechts kostenfrei in Ihren Posteingang!