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25. Juli 2025

Liebe Arbeitgeber, passt auf beim Thema Urlaubsabgeltung!

Liebe Arbeitgeber, passt auf beim Thema Urlaubsabgeltung!

Der Abbau von Arbeitsplätzen ist allgegenwärtig.
Deshalb müssen viele Arbeitgeber sich aktuell auch mit der Frage auseinandersetzen:
 
Wie viel Urlaub muss Beschäftigten nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses ggfs. ausgezahlt werden?
 
Dazu ein aktueller Fall aus unserer Beratungspraxis:
Das Arbeitsverhältnis eines Beschäftigten endete per 31.12.2024.
Der Arbeitgeber zahlte dem Beschäftigten für den ihm noch für das Jahr 2024 zustehenden Urlaub eine Urlaubsabgeltung.
Allerdings hatte der Beschäftigte auch noch aus den Jahren 2021 bis 2023 nicht genommenen Urlaub. Dieser Urlaub stand ihm rechtlich gesehen ebenfalls zu, da der Arbeitgeber seiner Initiativlast nicht genügt hatte. Der Arbeitgeber hatte den Beschäftigten in den jeweiligen Jahren also nicht aufgefordert, den noch bestehenden Urlaub von xy Urlaubstagen bis zum 31.12. in Anspruch zu nehmen, anderenfalls der Urlaub verfällt.
 
Strenggenommen hätte unser Arbeitgeber-Mandant also auch diese Urlaubsansprüche abgelten müssen. Hat er aber nicht, sodass es jetzt Sache des Beschäftigten gewesen wäre, die weitere Urlaubsabgeltung für die Vorjahre zu fordern.
Das tat der Beschäftigte auch. Sein Aufforderungsschreiben ging allerdings erst Mitte Mai 2025 bei unserem Mandanten ein.
 
Da der Arbeitsvertrag des Beschäftigten eine 3-monatige Ausschlussfristenregelung vorsah, wollte der Mandant von uns wissen: 

  • Müssen wir die Urlaubsabgeltung für die Vorjahre noch zahlen oder sind diese Ansprüche aufgrund der Ausschlussfristenregelung verfallen?

  • Ändert es was, dass wir unserer Initiativlast nicht genügt haben? 

Unsere Antwort auf die erste Frage lautete: Ja, denn der Abgeltungsanspruch wurde nicht rechtzeitig geltend gemacht und die Ausschlussfristenregelung ist wirksam.
 
Unsere Antwort auf die zweite Frage war: Nein, bei der Urlaubsabgeltung schadet es nicht, wenn die Initiativlast nicht erfüllt wurde.
 
Und jetzt für alle: Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits per Urteil vom 31.01.2023 (Az.: 9 AZR 456/20) entschieden, dass die Initiativlast des Arbeitgebers nur den Verfall von Urlaub im laufenden Arbeitsverhältnis betrifft und nicht auf den Verfall von Urlaubsabgeltungsansprüchen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übertragbar ist.
Aktuell haben sich auch die Landesarbeitsgerichte Köln (Urteil vom 12.12.2024, Az.: 3 SLa 356/24 und Berlin-Brandenburg (Urteil vom 16.01.2025, Az.: 10 Sa 697/24) zu den Feststellungen des BAG bekannt.
 
Was lernen wir daraus?

  • Arbeitgeber sollten ihrer Initiativlast beim Urlaub nachkommen, um beim Urlaub und spätestens bei der Urlaubsabgeltung keine böse Überraschung zu erleben.

  • Wenn noch Urlaub besteht, der nicht abgegolten werden soll, kommt es darauf an:
    ➡ Gibt es eine Ausschlussfristenregelung im Arbeits- oder Tarifvertrag?
    ➡ Ist vor allem die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist wirksam? (Das ist sie erfahrungsgemäß in vielen Fällen nicht.) und
    ➡ Erfolgte die Geltendmachung rechtzeitig?

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22. Juli 2025

Kiss-Cam, Coldplay und das Datenschutzrecht

Kiss-Cam, Coldplay und das Datenschutzrecht

Ein kurzer Moment auf der Leinwand, millionenfache Aufmerksamkeit im Netz – und ein tiefer Eingriff in die Privatsphäre: Der aktuelle Kiss-Cam-Vorfall bei einem Coldplay-Konzert hat international für Aufsehen gesorgt. Während die Netzgemeinde hämisch kommentiert, stellt sich Datenschützern die Frage: 

Wie ist ein solcher Fall nach deutschem Recht zu bewerten?

Rein rechtlich betrachtet sind solche Fälle keineswegs trivial. Vielmehr stehen sie im Spannungsfeld zwischen Veranstaltungsinteressen, Meinungs- und Pressefreiheit auf der einen Seite – und dem Datenschutzrecht sowie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht auf der anderen. Denn das solche Aufnahmen gravierende Auswirkungen auf das Leben der betroffenen Personen haben können, dürfte spätestens seit letzter Woche feststehen.

Klar ist: Sobald eine identifizierbare Person gefilmt oder fotografiert wird, liegt eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) vor. Das bedeutet, dass bereits die Aufnahme – unabhängig von einer späteren Veröffentlichung – eine Rechtsgrundlage benötigt. Häufig wird hier auf ein „berechtigtes Interesse“ nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO abgestellt, etwa zur Dokumentation oder Berichterstattung über die Veranstaltung. Dieses Interesse muss jedoch immer gegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen abgewogen werden. Und genau hier wird es bei Formaten wie der Kiss-Cam kritisch.

Hinzu kommen die Anforderungen des Kunsturhebergesetzes (KUG), das für die Veröffentlichung von Bildnissen maßgeblich bleibt. Und auch wenn das Kunsturhebergesetz (KUG) in § 23 Ausnahmen für Bilder von Veranstaltungen vorsieht, gelten diese nur bei Aufnahmen von Menschenmengen oder wenn Einzelpersonen nicht im Fokus stehen. Die gezielte Abbildung Einzelner – insbesondere in intimen oder emotionalen Momenten – fällt nicht darunter. 

Damit ist die rechtliche Grundlage für solche Aufnahmen ohne Einwilligung äußerst fragil.

Eine Einwilligung in Bild- und Tonaufnahmen muss aber freiwillig, informiert und widerruflich sein. Sie kann ausdrücklich oder – unter engen Voraussetzungen – konkludent erfolgen. Doch überrascht wirkende, irritierte oder gar unangenehm berührte Reaktionen stellen das Gegenteil einer konkludenten Einwilligung dar. 

Auch pauschale Hinweise in AGB oder auf Eintrittskarten genügen den Anforderungen der DS-GVO in aller Regel nicht – schon gar nicht bei gezielten Nahaufnahmen einzelner Personen.

Was heißt das konkret? 

Die gezielte Darstellung einzelner Personen in einer privaten, emotionalen Situation – ohne vorherige Zustimmung und die anschließende öffentliche Verbreitung – sind nach deutschem Recht rechtswidrig. 

Aufklärung, transparente Prozesse und ein sensibler Umgang mit Bildrechten sind nicht nur rechtlich geboten, sondern auch ein Zeichen von Respekt gegenüber dem Publikum.

Wer Emotionen zeigen will, darf Privatsphäre nicht verletzen. 

21. Juli 2025

Der Fall Coldplay oder Liebe am Arbeitsplatz aus der Sicht des deutschen Arbeitsrechts

Der Fall Coldplay oder Liebe am Arbeitsplatz aus der Sicht des deutschen Arbeitsrechts

Die Fotos vom Coldplay-Konzert, die den CEO eines US-amerikanischen Unternehmens engumschlungen mit seiner Personalleiterin zeigte, gingen viral.

Die Folge: Der CEO trat zurück.

US-amerikanische Unternehmen sehen Liebesbeziehungen zwischen Beschäftigten in der Tat sehr kritisch; viele verbieten sie in ihrem Code of Conduct sogar ganz oder zumindest bei der Gefahr von Interessenkonflikten.
 
Aber wie ist das nach deutschem Recht?
 
Hierzu können Sie sich folgende Grundsätze merken:

  • Ein generelles Verbot von Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz wäre ein Verstoß gegen das durch unser Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und daher rechtlich nicht durchsetzbar.

  • Und was würde das deutsche Recht zu Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz mit einem potenziellen Interessenkonflikt sagen?

    ➡ Ein Verbot der Liebesbeziehung wäre selbst dann ein unverhältnismäßiger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. So hat es das LAG Düsseldorf bereits in seinem berühmt-berüchtigten Wal-Mart-Urteil vom 14.11.2005 entschieden.

    ➡ Zulässig ist dagegen nach Meinung vieler, dass solche Liebesbeziehungen offengelegt werden müssen, damit das Unternehmen seinerseits Maßnahmen ergreifen kann, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden und seinen Pflichten nach dem AGG nachzukommen.
    Kann es zwischen den sich liebenden Beschäftigten keinen Interessenkonflikt geben, darf es dagegen auch keine Offenlegungspflicht geben.

Den Herzensmenschen in deutschen Unternehmen zu finden ist und bleibt also möglich. Und das ist doch eine gute Nachricht, wenn man bedenkt, dass Menschen im Job am meisten Zeit miteinander verbringen.

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17. Juli 2025

Unterbrechung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch Urlaub ist ein No-Go – ein Nachklapp

Unterbrechung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch Urlaub ist ein No-Go – ein Nachklapp

Zunächst möchten wir uns herzlich für die Zustimmung und die Kommentare zu unserem Beitrag von gestern bedanken.
 
Da das Thema offenbar viele umtreibt, hier noch eine Abwandlung des Ausgangsfalls:
 
Wie gesagt, können Sie der Beschäftigten wegen ihrer andauernden Arbeitsunfähigkeit nicht wirksam Urlaub erteilen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Krankenkasse der Beschäftigten wegen ihrer Reise ins außereuropäische Ausland kein Krankengeld zahlt, die Beschäftigte aber Geld braucht, möchten Sie ihr trotzdem irgendwie helfen.
 
Aber wie kann das wirksam gehen?
 
Wenn keine Tarifbindung besteht, könnten Sie Folgendes tun:
Zwar wird der Beschäftigten wegen ihrer andauernden Arbeitsunfähigkeit kein Urlaub erteilt. Es wird mit ihr aber vereinbart, dass ihr für 2025 nur der gesetzliche Mindesturlaub (das sind in einer 5-Tage-Woche bekanntlich 20 Tage) erteilt wird. Der vertragliche Mehrurlaub, den sie aufgrund ihrer Langzeiterkrankung noch nicht in Anspruch nehmen konnte, wird an sie ausbezahlt. Wenn die Beschäftigte einen arbeitsvertraglichen Anspruch von 30 Urlaubstagen hatte, könnten Sie ihr auf diese Weise immerhin 10 Urlaubstage bezahlen.
 
Eine solche Abrede ist wirksam. Denn wir erinnern uns: Während des laufenden Arbeitsverhältnisses ist nur eine finanzielle Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs oder ein Verzicht hierauf unwirksam. Der vertragliche Mehrurlaub kann dagegen auch im laufenden Arbeitsverhältnis finanziell abgegolten werden.
 
Mehr geht nicht.
Der gesetzliche Mindesturlaub (oder bei Tarifbindung der tarifliche Urlaub) kann während eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses weder abgegolten noch in Anspruch genommen werden.
 
Wie die Kommentare zu unserem gestrigen Beitrag gezeigt haben, scheint das nicht allen Beschäftigten klar zu sein. Ebenso scheinen viele Beschäftigte nicht zu wissen, dass die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit besteht, objektiv und nicht subjektiv beantwortet werden muss. Deshalb spielt es auch keine Rolle, wenn (objektiv arbeitsunfähige) Beschäftigte, die ihre Arbeitsunfähigkeit durch Urlaub unterbrechen möchten, sich einfach keine AU holen.
 
Wichtig ist nach alledem aber auch, dass HR mit den Beschäftigten ins Gespräch geht und ihnen die Situation erklärt. Das betrifft im Übrigen außerdem Beschäftigte, die ihren Urlaub schon vor der dann lange andauernden Arbeitsunfähigkeit beantragt und genehmigt bekommen haben.
Die Beschäftigten sollten aus den gerade genannten Gründen außerdem darauf hingewiesen werden, dass es wichtig ist, dass sie ihre AU weiter ärztlich feststellen lassen, damit sie weiter Krankengeld bekommen.

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16. Juli 2025

Unterbrechung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch Urlaub ist ein No-Go!

Unterbrechung einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch Urlaub ist ein No-Go!

Gestern erhielten wir folgende Anfrage von einer Mandantin:
Eine langzeiterkrankte Beschäftigte, die im Krankengeldbezug ist, möchte in ein Nicht-EU-Land in den Urlaub fahren. Ihre Krankenkasse teilte ihr allerdings mit, dass sie dafür kein Krankengeld bekommt. Die Beschäftigte schlug sodann vor, dass sie ihre Arbeitsunfähigkeit unterbricht und für die Zeit im Ausland Urlaub nimmt.
 
Unsere Mandantin leitete den Vorschlag an uns weiter, verbunden mit der Frage, was in solchen Fällen mit Beschäftigten vereinbart werden muss.
 
Unsere Antwort: Machen Sie das bloß nicht – man sollte keine Vereinbarungen mit arbeitsunfähigen Beschäftigten über die Inanspruchnahme von Urlaub schließen.
 
Für unser „Bloß Nicht“ gibt es zwei Gründe. Der eine hat mit dem Urlaubsrecht, der andere mit dem Entgeltfortzahlungsrecht im Krankheitsfall zu tun. 

  • Urlaubsrecht:
    Arbeitsunfähigen Beschäftigten kann Urlaub nicht wirksam erteilt werden. Darüber können sich die Parteien auch nicht mit einer Vereinbarung hinwegsetzen; eine solche Vereinbarung wäre unwirksam. Und nicht nur das: Arbeitgeber riskieren sogar, dass sie den Urlaub dann gleich zweimal gewähren/zahlen müssen. Denn da kein Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit in Anspruch genommen werden kann, besteht der Urlaub noch und kann später geltend gemacht werden.

  • Entgeltfortzahlungsrecht:
    Wenn Arbeitgeber in solchen Fällen Urlaub zulassen, kann Folgendes passieren, wie ein anderer Fall aus unserer Praxis zeigt:
    Eine schon lange arbeitsunfähige Beschäftigte hatte sich mit HR darauf verständigt, dass sie den aufgrund ihrer Langzeiterkrankung noch bestehenden Urlaub abbaut und drei Wochen Urlaub nimmt. Dann kam es, wie es kommen musste: Nach Ende des Urlaubs gab es eine neue Erstbescheinigung eines Arztes, die angeblich auf einem anderen Grundleiden als die vorangegangene AU fußte.
    Unterstellt, dass die neue AU tatsächlich auf einem anderen Grundleiden basierte, hatte sich unsere Mandantin durch ihr Vorgehen auf den ersten Blick das Argument des einheitlichen Verhinderungsfalls verbaut. 

Unsere Praxis zeigt: Es gibt nach wie vor viele Fragen und Unsicherheiten, die sich um das Thema Arbeitsunfähigkeit ranken. Deswegen werden wir direkt nach den Sommerferien eine 3-teilige Workshop-Reihe veranstalten, in der wir mit den Teilnehmenden einen Masterplan für all diese Fälle entwickeln.
 
Die Einladung zu dieser Workshop-Reihe verschicken wir noch diese Woche.

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