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26. Juni 2025

Hände weg vom automatischen Pausenabzug

Hände weg vom automatischen Pausenabzug

Am 13.09.2022 (Az.: 1 ABR 22/21) entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Arbeitgeber gemäß § 3 Absatz 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (!) verpflichtet sind, die von ihren Beschäftigten täglich geleistete Arbeitszeit aufzuzeichnen (siehe auch unseren Beitrag vom 05.12.2022).
Seither haben viele Unternehmen ein elektronisches Zeiterfassungssystem eingeführt.
Bei einigen dieser Systeme werden die gesetzlichen Pausenzeiten automatisch abgezogen („automatischer Pausenabzug“).

Allerdings schadet der automatische Pausenabzug mehr als er nutzt.
Das hat nun auch das BAG in seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 12.02.2025 (Az.: 5 AZR 51/24) bestätigt.

In dem Fall ging es um eine Ärztin, die von ihrem Arbeitgeber (einem Klinikum) die Bezahlung von Überstunden verlangte, weil sie viele Pausen durchgearbeitet hatte.

In der elektronischen Zeiterfassung konnte man das nicht erkennen. Das elektronische Zeiterfassungssystem des Klinikums sah – gestützt durch eine Betriebsvereinbarung – nämlich (alternativ zur gestempelten Pause) einen automatischen Pausenabzug vor.

Aufgrund des automatischen Pausenabzugs wusste das beklagte Klinikum nicht, wann tatsächlich Pausen in Anspruch genommen wurden und wann nicht.

Und genau das ist ein Problem für Arbeitgeber, die einen automatischen Pausenabzug praktizieren. Wir zitieren das BAG:

„Konkreten Vortrag zu den Arbeiten, die sie der Klägerin zugewiesen hat und an welchen Tagen, zu welchen Zeiten die Klägerin tatsächlich nicht gearbeitet haben soll, weil sie Pausen in Anspruch genommen habe, hat die Beklagte nicht gehalten. Ein Bestreiten mit Nichtwissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) genügt nicht, denn hierbei handelt es sich um Tatsachen, die Gegenstand der eigenen Wahrnehmung der Beklagten waren. Sie weiß als Arbeitgeberin, welche Aufgaben sie der Klägerin in Ausübung ihres Weisungsrechts (§ 106 GewO) zu welchen Zeiten innerhalb ihres Aufgabenbereichs zugewiesen hat. Der automatische Abzug von Pausenzeiten ersetzt nicht den Tatsachenvortrag zur Gewährung und Inanspruchnahme der Pausen. Damit gilt der Sachvortrag der Klägerin, sie habe auch während der Festpausenzeit gearbeitet, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Die Ärztin ging sogar noch einen Schritt weiter und argumentierte, dass das Klinikum ihre Überstunden durch den automatischen Pausenabzug gebilligt habe. Dem hat das BAG allerdings widersprochen.
Wieder möchten wir das BAG wörtlich zitieren:

23. Juni 2025

Probezeitkündigung – vorschnelle Zusage einer Weiterbeschäftigung rächt sich

Probezeitkündigung – vorschnelle Zusage einer Weiterbeschäftigung rächt sich

Die Probezeit hat nichts mit dem Kündigungsschutzgesetz zu tun – hierüber haben wir oft und zuletzt in unserem Beitrag vom 18.02.2025 anlässlich eines unserer aktuellen Fälle berichtet.

Gerne fassen wir das, was sich hinter diesem „Mantra“ verbirgt, noch einmal kurz für Sie zusammen:

Die Vereinbarung einer Probezeit führt nur zu den sich aus § 622 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ergebenden kürzeren Kündigungsfristen.
Die Vereinbarung oder Nicht-Vereinbarung einer Probezeit hat dagegen nichts mit der kündigungsschutzrechtlichen Wartezeit nach § 1 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) zu tun.

Wenn also in einem Arbeitsvertrag keine Probezeit vereinbart wird, gibt es trotzdem erst nach 6 Monaten (und nicht ab dem 1. Tag) Kündigungsschutz.
Wenn Arbeitgeber nur eine Probezeit von 3 Monaten vereinbaren (das Maximum für die Probezeit sind 6 Monate) gibt es Kündigungsschutz ebenfalls erst nach 6 Monaten und nicht schon ab dem 4. Monat.

Und wenn gefuchste Beschäftigte darum bitten, im Arbeitsvertrag ausdrücklich aufzunehmen, dass auf eine Probezeit verzichtet wird, hilft ihnen das beim Kündigungsschutz grundsätzlich genauso wenig weiter; den gibt es trotzdem erst, wenn das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat (es sei denn, aus den Vorgesprächen ergibt sich, dass mit Probezeit die kündigungsschutzrechtliche Wartezeit gemeint war).

Allerdings sollten Personalverantwortliche sich davor hüten, Beschäftigten kurz vor Ablauf einer 6-monatigen Probezeit vorschnell zuzusagen, dass sie über die Probezeit hinaus weiter beschäftigt werden.

Wenn dann kurz vor Ablauf der 6 Monate nämlich doch noch gekündigt wird, verstößt die Kündigung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf in seinem gerade veröffentlichten Urteil vom 14.01.2025 (Az.: 3 SLa 317/24) entschieden.

Was war passiert?

18. Juni 2025

Schwerbehinderte Menschen im Bewerbungsprozess (Teil 4): Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – wir bessern Ihr Wissen auf

Schwerbehinderte Menschen im Bewerbungsprozess (Teil 4):
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht – wir bessern Ihr Wissen auf

In unserem Beitrag vom 13.06.2025 ging es um das gerade veröffentlichte Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG), das entschieden hatte:

Arbeitgeber sind verpflichtet, die Agentur für Arbeit aktiv damit zu beauftragen, ihnen schwerbehinderte oder gleichgestellte Bewerber:innen zu vermitteln. Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige in z. B. der Jobbörse der Arbeitsagentur genügt nicht. Tun Arbeitgeber das nicht, haben sie ein Indiz für eine unzulässige Diskriminierung gesetzt (BAG, Az.: 8 AZR 123/24).

Zwar ist es dem Arbeitgeber im entschiedenen Fall gelungen, das Indiz zu entkräften, weil das Bewerbungsverfahren zum Zeitpunkt der Bewerbung nachweislich abgeschlossen war.
Das zu erreichen, war für den Arbeitgeber aber ein sehr mühsamer Prozess und das hätte auch leicht ins Auge gehen können.

Deshalb hatten wir uns in unserem Bericht auf die wesentliche Botschaft beschränkt und raten HR:

Lassen Sie es besser gar nicht dazu kommen, dass eine unzulässige Diskriminierung von schwerbehinderten / gleichgestellten Beschäftigen vermutet wird. Denn haben Sie erstmal ein Indiz für eine solche Diskriminierung gesetzt, ist es verdammt schwer (und gelingt sehr oft nicht), die Vermutung zur Überzeugung der Gerichte zu widerlegen. Außerdem ist der prozessuale „Widerlegungs-Aufwand“ erheblich.

Bitte bedenken Sie dabei auch, dass das oft gebrauchte Argument, dass der Bewerber schon die formalen Qualifikationskriterien nicht erfüllt, häufig nicht zieht. Nach der BAG-Rechtsprechung greift das Argument nämlich nur dann, wenn formale Qualifikationen und Anforderungen unverzichtbare Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit sind. Die Hürden sind also hoch.

Durch die Kommentare, die uns nach unserem Beitrag vom 13.06.2025 erreicht haben, haben wir gesehen, dass es noch viel Unwissenheit und Unsicherheit im Zusammenhang mit den besonderen Verfahrensvorschriften für Schwerbehinderte/Gleichgestellte gibt.

Diese Unwissenheit schützt vor Strafe jedoch nicht.
Denn das BAG sagt:

13. Juni 2025

Schwerbehinderte Menschen im Bewerbungsprozess (Teil 3):  BAG bestätigt – Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige reicht nicht aus

Schwerbehinderte Menschen im Bewerbungsprozess (Teil 3): 
BAG bestätigt – Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige reicht nicht aus

in unserem Newsletter vom 29.08.2024 ging es um eine Entscheidung des LAG Düsseldorf. Das LAG Düsseldorf hatte entschieden, dass Arbeitgeber nach § 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX verpflichtet sind, die Agentur für Arbeit frühzeitig über zu besetzende Arbeitsplätze zu informieren und mit der Vermittlung schwerbehinderter oder gleichgestellter Beschäftigter zu beauftragen. Die bloße Veröffentlichung einer Stellenanzeige – etwa in der Jobbörse der Arbeitsagentur – genügt dafür nicht
 
Diese Rechtsauffassung hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Mitte der Woche im Volltext veröffentlichten Entscheidung (Az.: 8 AZR 123/24) nun bestätigt.
 
Was war passiert?
Der schwerbehinderte Kläger hatte sich im Sommer 2021 auf eine bei der Bundesagentur für Arbeit veröffentlichte Stelle beworben. Seine Bewerbung enthielt bereits einen Hinweis auf die Schwerbehinderung. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit seiner Bewerbung fand aber nicht statt: Die Beklagte hatte bereits vor Eingang seiner Bewerbung eine Auswahlentscheidung getroffen. Zwar war die Stelle noch online, die Entscheidung war jedoch intern längst gefallen. Ein Vermittlungsauftrag an die Agentur für Arbeit war nicht erteilt worden.
 
Die Entscheidung des BAG
Das BAG folgte der Argumentation des Klägers: Wer lediglich eine Stellenanzeige online stellt, erfüllt nicht die gesetzliche Pflicht zur frühzeitigen Unterrichtung (§ 164 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Vielmehr muss aktiv ein Vermittlungsauftrag an die Agentur für Arbeit erteilt werden. Fehlt dieser, liegt ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vor.
Die Folge: Nach § 22 AGG wird die Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung vermutet. Der Arbeitgeber hätte nun beweisen müssen, dass allein objektive, leistungsbezogene Kriterien zur Ablehnung geführt haben – was ihm nicht gelang.
 
Warum ist das wichtig?
Das Urteil bestätigt: Arbeitgeber können ihre Pflichten im Bewerbungsverfahren schwerbehinderter/gleichgestellter Menschen nicht bloß „technisch“ durch eine Veröffentlichung in der Jobbörse erfüllen. Entscheidend ist eine aktive Einbindung der Agentur für Arbeit. Fehlt diese, drohen Entschädigungsansprüche nach dem AGG – unabhängig davon, ob der Bewerber fachlich überhaupt geeignet war.
 
Unsere Empfehlung:

➡️ Überprüfen Sie Ihre Stellenbesetzungsverfahren: Wird die Agentur für Arbeit tatsächlich aktiv eingeschaltet oder nur „passiv“ informiert?

➡️ Erteilen Sie einen echten Vermittlungsauftrag – idealerweise dokumentiert.

➡️ Berücksichtigen Sie schwerbehinderte Bewerber sorgfältig – insbesondere vor einer endgültigen Auswahlentscheidung.

12. Juni 2025

Konzeptlose Gehaltserhöhungen sind ein Problem – auch bei Füh-rungskräften

Konzeptlose Gehaltserhöhungen sind ein Problem – auch bei Führungskräften

Heute soll es einmal mehr um ungerechtfertigte Gehaltsunterschiede gehen.
Die meisten Arbeitgeber haben durch die medienwirksamen Urteile des BAG vom 16.02.2023 (Az.: 8 AZR 450/21), den Daimler-Fall des LAG Baden-Württemberg vom 01.10.2024 (Az.: 2 Sa 14/24) und den Deutsche-Bank-Fall des LAG Hessen vom 30.04.2024 (Az.: 4 Sa 1424/21) verstanden, dass geschlechtsspezifische Gehaltsunterschiede ein Problem sind.

Noch nicht überall angekommen ist, dass sich Vergütungen auch am allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen müssen. Und zwar selbst dann, wenn es um Führungskräfte geht. Anders als Einige denken, gilt für Führungskräfte keine höhere „Zumutbarkeitsschwelle“ als für „normale“ Beschäftigte.

Deshalb sollte das gerade im Volltext veröffentlichte Urteil des LAG Düsseldorf vom 10.12.2024 (Az.: 3 SLa 318/24) allen Arbeitgebern eine Warnung sein.

Was war passiert?
Ein (großes) Unternehmen hatte ein Budget für Gehaltserhöhungen einer bestimmten Führungsebene aufgemacht.
Wer eine Gehaltserhöhung bekommt, sollten die jeweiligen Vorgesetzten entscheiden.
Hierbei wurden den Vorgesetzten keine Vorgaben gemacht.
Die Führungskräfte selbst hatten offenbar auch kein (kriterienbasiertes) Konzept für die Gehaltserhöhungen entwickelt. Jedenfalls hat/konnte das Unternehmen in dem Verfahren nichts dazu vortragen.

Und genau das wurde dem Unternehmen in dem von einer (wohl nicht sonderlich gut gelittenen) Führungskraft angestrengten Verfahren zum Verhängnis. Die Düsseldorfer Landesarbeitsrichter entschieden nämlich, dass der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch dann anwendbar ist, wenn der Arbeitgeber – nicht auf besondere Einzelfälle beschränkt – nach Gutdünken oder nach nicht sachgerechten oder nicht bestimmbaren Kriterien Leistungen erbringt (BAG vom 26.04.2023 – 10 AZR 137/22, juris, Rz. 22; BAG vom 12.10.2022 – 5 AZR 135/22, juris, Rz. 25; BAG vom 27.04.2021 – 9 AZR 662/19, juris, Rz. 17)“.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz ist nach Meinung der Düsseldorfer Landesarbeitsrichter im entschiedenen Fall eröffnet und verletzt.
Konkret – und das ist jetzt für alle Unternehmen wichtig – wirft das LAG Düsseldorf dem Arbeitgeber Folgendes vor: