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10. Juni 2025

BAG: Deutscher Kündigungsschutz für Schwangere gut genug

BAG: Deutscher Kündigungsschutz für Schwangere gut genug

Am 03.04.2025 hatten wir brandaktuell über die Pressemitteilung des BAG zum Kündigungsschutz Schwangerer berichtet. Es ging um einen Fall, in dem eine gekündigte Arbeitnehmerin erst kurz vor Ablauf der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage einen im Ergebnis positiven Schwangerschaftstest durchführte, aber erst einige Zeit später und nach Fristablauf die Schwangerschaft durch ärztliches Zeugnis bestätigt wurde.

Nun ist das Urteil im Volltext veröffentlicht. Und siehe da: Das Bundesarbeitsgericht entschied nicht nur über die Frage, ab wann „fristenrelevante“ Kenntnis von einer Schwangerschaft vorliegt. Sondern es setzt sich intensiv auch mit den europarechtlichen Anforderungen des effektiven Rechtsschutzes schwangerer Arbeitnehmerinnen auseinander.

Sein Resultat: Die deutschen Regelungen zum Kündigungsschutz und zur nachträglichen Klagezulassung sind ausreichend.
 
Zum Fall:

Wir erinnern uns an den Sachverhalt: Arbeitnehmerin A erhielt am 14.05.2022 ein Kündigungsschreiben von ihrem Arbeitgeber. Am 29.05.2022 führte sie einen Schwangerschaftstest mit positivem Ergebnis durch und informierte den Arbeitgeber noch am selben Tag. Sie bemühte sich um einen schnellstmöglichen Termin beim Frauenarzt und erhielt diesen für den 17.06.2022. Bereits vor diesem Termin, aber nach Ablauf der 3-Wochen-Frist des § 4 S. 1 KSchG, nämlich am 13.06.2022, erhob sie Kündigungsschutzklage, verbunden mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung. Am 21.06.2022 reichte sie ein ärztliches Zeugnis ein, das bestätigte, dass am 17.06.2022 eine Schwangerschaft festgestellt wurde; es ergab sich daraus auch, dass die Schwangerschaft am 28.04.2025 – und damit vor Zugang der Kündigung – begonnen hatte (Rückrechnung vom mutmaßlichen Entbindungstag um 280 Tage; auch dazu haben wir hier bereits ausführlich berichtet).

Der Streit drehte sich um die Frage, ob die Kündigungsschutzklage gem. § 5 Abs. 1 S. 2 KSchG nachträglich zuzulassen war oder nicht. Für die Beantwortung dieser Frage kommt es entscheidend darauf an, ob für die „Kenntniserlangung von der Schwangerschaft“ auf den häuslichen Schwangerschaftstest oder die ärztliche Feststellung abzustellen ist.

Dazu sagt das BAG (wie wir bereits aus der Pressemitteilung wissen):

Die ärztliche Feststellung ist entscheidend.
 
Ab dem Zeitpunkt der ärztlichen Feststellung läuft also die 2-wöchige Antragsfrist für die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.


Zur Einordnung in europarechtliche Rahmenbedingungen:

05. Juni 2025

Kardinalfehler bei Personalabbau, das LAG Köln gibt Tipps

Kardinalfehler bei Personalabbau, das LAG Köln gibt Tipps

Maßnahmen zum Personalabbau haben Hochkonjunktur. 
 
Arbeitsrechtlich betrachtet ist Grundvoraussetzung für einen Personalabbau eine unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt. 
 
Genau hieran hapert es jedoch häufig, wie das kürzlich veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG Köln vom 16.01.2025, Az.:6 Sa 633/23) deutlich macht.
 
Das Urteil ist ein Lehrstück für alle Unternehmen, die ihren Personalabbau mit dem dringenden Bedürfnis zur Reduzierung von Lohnkosten begründen möchten.
 
Denn die Senkung von Lohnkosten ist noch kein betriebsbedingter Kündigungsgrund, und zwar selbst dann nicht, wenn das Unternehmen mit dem Rücken zur Wand steht.
 
Das LAG Köln sagt dazu wörtlich: 
 
„Das Bedürfnis oder gar der Entschluss, Lohnkosten zu verringern, ist kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Das entspricht seit mehr als 30 Jahren der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20.3.1986 – 2 AZR 294/85 –). Das gleiche gilt für wirtschaftliche Überlegungen im Allgemeinen (Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 517, beck-online mwN). Die Vorlage einer negativen Bilanz oder die Darlegung, dass eine bestimmte Tätigkeit nicht mehr kostendeckend ausgeübt werden könne, ist also nicht ausreichend. Auch ein Gutachten eines Unternehmensberaters hilft nicht weiter.“
 
Wer Personalkosten einsparen möchte, muss also zunächst ein Konzept entwickeln, das zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt. 
 
Und genau daran fehlt es häufig. Viele Unternehmen kündigen betriebsbedingt ohne ein solches Konzept und dann ist jede betriebsbedingte Kündigung verloren.
 
Im Fall des LAG Köln wollte das beklagte Unternehmen diese Notwendigkeit nicht einsehen. Sein Vorwurf an das Gericht lautete: Mit diesen Vorgaben sei es für ein mittelständisches Unternehmen nicht mehr möglich, Personal aus wirtschaftlichen Gründen abzubauen. 
 
Das wiederum veranlasste das LAG Köln, dem beklagten Unternehmen ins Urteil zu schreiben, wie es hätte gehen können.
 
Damit Sie das gleich folgende Zitat besser verstehen, für Sie noch der Hinweis: Aus dem Vortrag des beklagten Unternehmens ergab sich, das die Aufgaben des gekündigten Mitarbeiters fortan von Beschäftigten einer anderen Abteilung übernommen werden sollten. 
 
Allerdings hatte das Unternehmen hierzu keinen konkreten Vortrag gehalten. Seiner Meinung nach sei die vom Gericht verlangte Konkretisierung – salopp gesprochen – eine Zumutung für mittelständische Unternehmen.
 
Das sah das LAG anders und schrieb dem Unternehmen in die Urteilsbegründung, wie es den rechtlichen Anforderungen hätte gerecht werden können:
 
„Zweitens ist die Annahme nicht richtig, es sei einem mittelständischen Unternehmen nicht mehr möglich die Arbeitsverhältnisse einzelner Mitarbeiter zu beenden: Wenn der nicht juristisch vorgebildete Arbeitgeber feststellt, dass in der Abteilung X die Beschäftigten A, B, C und D jeweils 10 Stunden pro Woche nichts zu tun haben (oder „gewaltig Luft nach oben“ herrscht) und entschließt er sich deshalb, diesen Beschäftigten Aufgaben aus einer anderen Abteilung zu übertragen, dann kann es sein, dass in der anderen Abteilung das Beschäftigungsbedürfnis um 40 Stunden sinkt. Mit ein wenig Darlegung zu der Unterbelastung der Beschäftigten A, B, C und D (im relevanten Prognosezeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung!), insbesondere mit ein wenig Mitteilung über das Verhältnis von Arbeitsmenge und Arbeitszeit bezogen auf diese vier Beschäftigten (Auszug Arbeitszeitkonto, Stückleistung vergleichbarer Beschäftigter, REFA-Arbeitsablaufanalyse) ist ein plausibles unternehmerisches Konzept schon vorgetragen. Greifbare Formen für eine Leistungsverdichtungsentscheidung könnten verlautbarte Änderungen des Orga-Plans sein, Mitteilungen an Kunden oder Partner sowie ausdrückliche Anweisungen (z.B. „1st Level Support im Zweifel liegen lassen“). Dass ein mittelständisches Unternehmen dies alles kann, ist gerichtsbekannt. Demgegenüber hat hier die Beklagte nicht eine Organisationsentscheidung gefällt, die für eine Kündigung kausal war, sondern sie hat umgekehrt einen Kündigungsbeschluss gefasst, der kausal für eine unternehmerische Umorganisation gewesen sein soll. Auf der Prüfungsstufe Sachwidrigkeit/Willkür ist das der falsche Weg.“
 
Der Fall zeigt eindrucksvoll: Ohne unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen, also von Arbeit, führt, wird es nichts!
 
Hierbei will die Verlagerung von Aufgaben auf andere Beschäftigte (die sogenannte Leistungsverdichtung) allerdings besonders gut überlegt sein. Denn bei einer solchen Leistungsverdichtung muss auch begründet werden können, dass andere Beschäftigte in der Lage sind, Aufgaben des/der gekündigten Mitarbeiter/s – ohne Überstunden – zu erledigen. Das aber ist in vielen Fällen ein Problem. In vielen Fällen müssen unternehmerische Konzepte daher umgestellt werden.
 
Das wiederum funktioniert nur, wenn Unternehmen sich rechtzeitig und längere Zeit vor der Umsetzung solcher Maßnehmen Gedanken über ihr unternehmerisches Konzept machen. 
 
Im Nachhinein und sozusagen erst im Laufe des Gerichtsverfahrens funktioniert das nicht.
 
Auch das hat das LAG Köln in seinem Urteil deutlich gesagt.
 
Schlussbemerkung:
Die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens ist nur der Anfang und nicht das Ende eines unternehmerischen Konzepts.
 
Nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus unternehmerischen Gründen müssen sich Unternehmen viele Gedanken darüber machen, wie die Arbeiten nach dem Personalabbau erledigt werden sollen und auch erledigt werden können.
 
Leider kommt das - wie gesagt - häufig zu kurz. Ziel unseres Beitrags ist es daher, Unternehmen zu motivieren, das in Zukunft zu ändern. 
 
Eine arbeitsrechtliche Beratung kann hierbei auf keinen Fall schaden. 
 
Die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, ist freilich nur die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche betriebsbedingte Kündigung.
 
Die weiteren Voraussetzungen, die wir heute aber nur kurz behandeln möchten, sind:

  • Ordnungsgemäße Sozialauswahl (bei der auch die arbeitsvertragliche Tätigkeit und Versetzungsvorbehalte berücksichtigt werden müssen, was oft vergessen wird).
     
  • Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf freien Arbeitsplätzen, die gleich – oder geringerwertig sind.
03. Juni 2025

Kein Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub durch Prozessvergleich

Kein Verzicht auf gesetzlichen Mindesturlaub durch Prozessvergleich

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seiner heutigen Entscheidung (Urteil vom 3. Juni 2025; Az.: 9 AZR 266/24) klargestellt, dass Arbeitnehmer nicht wirksam auf ihren gesetzlichen Mindesturlaub verzichten können – auch nicht im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs.

Diese Entscheidung bestätigt die bereits in unserem Newsletter vom 26. Juni 2024 besprochene Auffassung der Vorinstanz (Landesarbeitsgerichts Köln, Urteil vom 11. April 2024, Az.: 7 Sa 516/23).

In dem konkreten Fall war der Kläger im Jahr 2023 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und konnte seinen Urlaub deshalb nicht nehmen. Dennoch schlossen die Parteien noch vor Ablauf der Kündigungsfrist einen gerichtlichen Vergleich, in dem sie sich darauf verständigten, dass „Urlaubsansprüche in natura gewährt“ worden seien.

Diese Vereinbarung ist – das hat das BAG nun letztinstanzlich entschieden – unwirksam. 

Das BAG betont, dass ein Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub in jedem Fall unzulässig ist. Zwar können Arbeitnehmer auf vertraglich vereinbarten Mehrurlaub verzichten, jedoch nicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub.

Verzichtbar ist allerdings – das ist für die betriebliche Praxis wichtig – der Anspruch auf die Urlaubsabgeltung, der aber erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht. 

Praxishinweis für Arbeitgeber:

  • Beim Abschluss von Aufhebungs- oder Abwicklungsverträgen sollte stets geprüft werden, ob noch Ansprüche auf (gesetzlichen Mindest-) Urlaub bestehen.

  • Arbeitgeber sollten bei den Verhandlungen berücksichtigen, dass offene Urlaubsansprüche (zumindest, wenn es sich um gesetzlichen Mindesturlaubs handelt) tatsächlich in Anspruch genommen oder abgegolten werden müssen.

  • Formulierungen wie „Urlaub ist in natura gewährt“ sind rechtlich riskant, wenn der Urlaub tatsächlich nicht genommen wurde.

  • Ein wirksamer Verzicht auf den gesetzlichen Mindesturlaub ist nicht möglich.

  • Möglich ist lediglich der Verzicht auf die Urlaubsabgeltung; und das erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

 

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02. Juni 2025

Seit 01.06.2025: Mutterschutz nach Fehlgeburt

Seit 01.06.2025: Mutterschutz nach Fehlgeburt

Bereits im März haben wir ausführlich über die wichtigen Neuerungen im Mutterschutz berichtet, die Sie hier noch einmal nachlesen können. Mittlerweile ist die mediale Berichterstattung wieder abgeklungen; Grund für uns, einen kleinen Reminder zu senden.
 
Seit gestern sind die Neuerungen nämlich nun (endlich) in Kraft, und wir möchten besonders auf den neu eingeführten Mutterschutz nach einer Fehlgeburt noch einmal aufmerksam machen:
 
Bei einer Fehlgeburt darf der Arbeitgeber eine Frau für folgende Zeiträume nicht beschäftigen:

  • Bei einer Fehlgeburt ab der 13. Schwangerschaftswoche 2 Wochen,
  • bei einer Fehlgeburt ab der 17. Schwangerschaftswoche 6 Wochen,
  • bei einer Fehlgeburt ab der 20. Schwangerschaftswoche 8 Wochen.

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Frau sich ausdrücklich zur Arbeitsleistung bereit erklärt – wobei sie diese Erklärung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen kann. Diese Form des „freiwilligen Mutterschutzes auf Widerruf“ ist bereits aus dem vorgeburtlichen Mutterschutz bekannt. 
 
Für die Dauer des Beschäftigungsverbot hat die (gesetzlich krankenversicherte) Frau Anspruch auf Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld  – wie beim bislang bekannten vor- und nachgeburtlichen Beschäftigungsverbot. Damit entstehen für sie keine finanziellen Nachteile. Auch der Arbeitgeber hat keinen Nachteil, denn er bekommt die von ihm abzurechnenden Zahlungen über das U2-Umlageverfahren erstattet.

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30. Mai 2025

BAG zur Betriebsrats-Briefwahl – Briefwahl für alle durch die Hintertür?

BAG zur Betriebsrats-Briefwahl – Briefwahl für alle durch die Hintertür?

Sie erinnern sich bestimmt an die Diskussionen um die Betriebsratswahl per Briefwahl im Jahr 2022: 
Viele Wahlvorstände wollten während der Corona-Pandemie „flächendeckend“ Briefwahlen durchführen und haben deshalb auch ohne konkrete Anforderung durch die Beschäftigten Briefwahlunterlagen versendet.
 
Das Betriebsverfassungsgesetz bzw. die zugehörige Wahlordnung sehen die Briefwahl aber ausdrücklich nur in Ausnahmefällen vor:
 
So ist die „Briefwahl für alle“ nur in Betriebsteilen und Kleinstbetrieben, die räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, möglich (§ 24 Abs. 3 der Wahlordnung). 
 
Im Übrigen ist die schriftliche Stimmabgabe nur zulässig, wenn (einzelne) Beschäftigte zur Zeit der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb sein werden und deshalb an der persönlichen Stimmabgabe verhindert sind (§ 24 Abs. 1 und 2 der Wahlordnung). 

Dabei unterscheidet das Gesetz zwischen zwei Anwendungsfällen:

  • Wenn sich die Abwesenheit bereits aus der „Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses“ ergibt (so z.B. bei Beschäftigten im Außendienst), hat der Wahlvorstand die Briefwahlunterlagen von Amts wegen zu übergeben oder zu übersenden (§ 24 Abs. 2 der Wahlordnung). 
  • Bei Beschäftigten, bei denen sich die voraussichtliche Abwesenheit nicht bereits aus der Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses ergibt, ist ein konkretes Verlangen des Wahlberechtigten erforderlich (§ 24 Abs. 1 der Wahlordnung).

Mit dem letzten Fall hat sich das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinemam Dienstag (27.05.2025) im Volltext veröffentlichen Beschluss vom 22. Januar 2025 (Az.: 7 ABR 1/24) befasst.
Konkret ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen Wahlberechtigte einen Anspruch auf Aushändigung oder Übersendung der Briefwahlunterlagen haben oder – anders gesagt – ob und wie weitgehend der Wahlvorstand die Verhinderung des Wahlberechtigten prüfen kann, darf oder sogar muss.
 
Das BAG entschied, dass der Wahlvorstand verpflichtet ist, einem Wahlberechtigten auf dessen Verlangen Briefwahlunterlagen auszuhändigen oder zu übersenden, wenn dieser zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein wird. 
 
Wichtig ist: Ein solches Verlangen muss nicht begründet werden. 
 
Erst wenn konkrete Zweifel an der Verhinderung bestehen, darf der Wahlvorstand das Anliegen hinterfragen.
 
Der Wahlvorstand ist aber weder berechtigt, ein solches Verlangen inhaltlich zu prüfen, noch verpflichtet, einen Beschluss über die Aushändigung oder Übersendung zu fassen.
 
Wörtlich sagt das BAG:
 
„Der Wahlvorstand kann bei einem von dem Wahlberechtigten geäußerten Verlangen nach der Aushändigung oder Übersendung von Briefwahlunterlagen iSv. § 24 Abs. 1 Satz 1 WO grundsätzlich davon ausgehen, dass der Wahlberechtigte im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert ist. Das keinen besonderen Formanforderungen unterliegende Verlangen bedarf prinzipiell weder einer näheren Begründung noch einer – und sei es kursorischen – Plausibilitäts-Überprüfung durch den Wahlvorstand. Dieses Verständnis von § 24 Abs. 1 Satz 1 WO folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift sowie aus verordnungssystematischen Erwägungen. Teleologische Gesichtspunkte stehen ihm nicht entgegen; allerdings gebieten sie eine Prüfpflicht des Wahlvorstands, wenn sich anhand objektiver Anhaltspunkte Zweifel daran aufdrängen, dass der die Briefwahlunterlagen verlangende Wahlberechtigte die Voraussetzung des § 24 Abs. 1 Satz 1 WO erfüllt.“
 
Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG einerseits die Rechte der Beschäftigten und schafft mehr Rechtssicherheit für Wahlvorstände. 
Gleichzeitig wird die Schwelle für die Briefwahlteilnahme bewusst niedrig gehalten. 
Ein einfaches, formfreies Verlangen der Beschäftigten ohne konkrete Begründung oder nähere Informationen zur Abwesenheit reicht grundsätzlich aus. 
 
Wir sind sehr gespannt, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf die Anzahl der Briefwähler im Jahr 2026 haben wird…