05. Juni 2025
Kardinalfehler bei Personalabbau, das LAG Köln gibt Tipps
Maßnahmen zum Personalabbau haben Hochkonjunktur.
Arbeitsrechtlich betrachtet ist Grundvoraussetzung für einen Personalabbau eine unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt.
Genau hieran hapert es jedoch häufig, wie das kürzlich veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (LAG Köln vom 16.01.2025, Az.:6 Sa 633/23) deutlich macht.
Das Urteil ist ein Lehrstück für alle Unternehmen, die ihren Personalabbau mit dem dringenden Bedürfnis zur Reduzierung von Lohnkosten begründen möchten.
Denn die Senkung von Lohnkosten ist noch kein betriebsbedingter Kündigungsgrund, und zwar selbst dann nicht, wenn das Unternehmen mit dem Rücken zur Wand steht.
Das LAG Köln sagt dazu wörtlich:
„Das Bedürfnis oder gar der Entschluss, Lohnkosten zu verringern, ist kein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Das entspricht seit mehr als 30 Jahren der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 20.3.1986 – 2 AZR 294/85 –). Das gleiche gilt für wirtschaftliche Überlegungen im Allgemeinen (Ascheid/Preis/Schmidt/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 517, beck-online mwN). Die Vorlage einer negativen Bilanz oder die Darlegung, dass eine bestimmte Tätigkeit nicht mehr kostendeckend ausgeübt werden könne, ist also nicht ausreichend. Auch ein Gutachten eines Unternehmensberaters hilft nicht weiter.“
Wer Personalkosten einsparen möchte, muss also zunächst ein Konzept entwickeln, das zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt.
Und genau daran fehlt es häufig. Viele Unternehmen kündigen betriebsbedingt ohne ein solches Konzept und dann ist jede betriebsbedingte Kündigung verloren.
Im Fall des LAG Köln wollte das beklagte Unternehmen diese Notwendigkeit nicht einsehen. Sein Vorwurf an das Gericht lautete: Mit diesen Vorgaben sei es für ein mittelständisches Unternehmen nicht mehr möglich, Personal aus wirtschaftlichen Gründen abzubauen.
Das wiederum veranlasste das LAG Köln, dem beklagten Unternehmen ins Urteil zu schreiben, wie es hätte gehen können.
Damit Sie das gleich folgende Zitat besser verstehen, für Sie noch der Hinweis: Aus dem Vortrag des beklagten Unternehmens ergab sich, das die Aufgaben des gekündigten Mitarbeiters fortan von Beschäftigten einer anderen Abteilung übernommen werden sollten.
Allerdings hatte das Unternehmen hierzu keinen konkreten Vortrag gehalten. Seiner Meinung nach sei die vom Gericht verlangte Konkretisierung – salopp gesprochen – eine Zumutung für mittelständische Unternehmen.
Das sah das LAG anders und schrieb dem Unternehmen in die Urteilsbegründung, wie es den rechtlichen Anforderungen hätte gerecht werden können:
„Zweitens ist die Annahme nicht richtig, es sei einem mittelständischen Unternehmen nicht mehr möglich die Arbeitsverhältnisse einzelner Mitarbeiter zu beenden: Wenn der nicht juristisch vorgebildete Arbeitgeber feststellt, dass in der Abteilung X die Beschäftigten A, B, C und D jeweils 10 Stunden pro Woche nichts zu tun haben (oder „gewaltig Luft nach oben“ herrscht) und entschließt er sich deshalb, diesen Beschäftigten Aufgaben aus einer anderen Abteilung zu übertragen, dann kann es sein, dass in der anderen Abteilung das Beschäftigungsbedürfnis um 40 Stunden sinkt. Mit ein wenig Darlegung zu der Unterbelastung der Beschäftigten A, B, C und D (im relevanten Prognosezeitpunkt, nämlich dem Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung!), insbesondere mit ein wenig Mitteilung über das Verhältnis von Arbeitsmenge und Arbeitszeit bezogen auf diese vier Beschäftigten (Auszug Arbeitszeitkonto, Stückleistung vergleichbarer Beschäftigter, REFA-Arbeitsablaufanalyse) ist ein plausibles unternehmerisches Konzept schon vorgetragen. Greifbare Formen für eine Leistungsverdichtungsentscheidung könnten verlautbarte Änderungen des Orga-Plans sein, Mitteilungen an Kunden oder Partner sowie ausdrückliche Anweisungen (z.B. „1st Level Support im Zweifel liegen lassen“). Dass ein mittelständisches Unternehmen dies alles kann, ist gerichtsbekannt. Demgegenüber hat hier die Beklagte nicht eine Organisationsentscheidung gefällt, die für eine Kündigung kausal war, sondern sie hat umgekehrt einen Kündigungsbeschluss gefasst, der kausal für eine unternehmerische Umorganisation gewesen sein soll. Auf der Prüfungsstufe Sachwidrigkeit/Willkür ist das der falsche Weg.“
Der Fall zeigt eindrucksvoll: Ohne unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen, also von Arbeit, führt, wird es nichts!
Hierbei will die Verlagerung von Aufgaben auf andere Beschäftigte (die sogenannte Leistungsverdichtung) allerdings besonders gut überlegt sein. Denn bei einer solchen Leistungsverdichtung muss auch begründet werden können, dass andere Beschäftigte in der Lage sind, Aufgaben des/der gekündigten Mitarbeiter/s – ohne Überstunden – zu erledigen. Das aber ist in vielen Fällen ein Problem. In vielen Fällen müssen unternehmerische Konzepte daher umgestellt werden.
Das wiederum funktioniert nur, wenn Unternehmen sich rechtzeitig und längere Zeit vor der Umsetzung solcher Maßnehmen Gedanken über ihr unternehmerisches Konzept machen.
Im Nachhinein und sozusagen erst im Laufe des Gerichtsverfahrens funktioniert das nicht.
Auch das hat das LAG Köln in seinem Urteil deutlich gesagt.
Schlussbemerkung:
Die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens ist nur der Anfang und nicht das Ende eines unternehmerischen Konzepts.
Nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus unternehmerischen Gründen müssen sich Unternehmen viele Gedanken darüber machen, wie die Arbeiten nach dem Personalabbau erledigt werden sollen und auch erledigt werden können.
Leider kommt das - wie gesagt - häufig zu kurz. Ziel unseres Beitrags ist es daher, Unternehmen zu motivieren, das in Zukunft zu ändern.
Eine arbeitsrechtliche Beratung kann hierbei auf keinen Fall schaden.
Die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall von Arbeitsplätzen führt, ist freilich nur die erste Voraussetzung für eine erfolgreiche betriebsbedingte Kündigung.
Die weiteren Voraussetzungen, die wir heute aber nur kurz behandeln möchten, sind:
- Ordnungsgemäße Sozialauswahl (bei der auch die arbeitsvertragliche Tätigkeit und Versetzungsvorbehalte berücksichtigt werden müssen, was oft vergessen wird).
- Keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf freien Arbeitsplätzen, die gleich – oder geringerwertig sind.