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08. Mai 2025

Schadensersatz aufgrund verspäteter Zielvorgabe – der Volltext des BAG-Urteils ist da!

Schadensersatz aufgrund verspäteter Zielvorgabe – der Volltext des BAG-Urteils ist da!

Auf variable Vergütungssysteme möchten Unternehmen nicht mehr verzichten.
Deshalb sind Zielbonus-Systeme beliebter denn je.
 
Die Bedeutung solcher Systeme für die betriebliche Praxis ist also gewaltig, weshalb wir hierüber fortlaufend berichtet haben.
 
In unserem letzten Beitrag vom 19.02.2025 ging es um das am selben Tag veröffentlichte BAG-Urteil (Az.: 10 AZR 57/24), in dem das BAG dem Kläger den vollen Zielbonus alleine deshalb zugesprochen hat, weil das beklagte Unternehmen die individuellen Ziele gar nicht und die Unternehmensziele viel zu spät vorgegeben hatte; als die Unternehmensziele mitgeteilt wurden, war es nämlich schon September, sodass 3/4 der Zielperiode bereits vorbei waren.
 
Da wir das Urteil in unserem Beitrag vom 19.02.2025 bereits im Gesamtzusammenhang eingeordnet hatten, möchten wir Ihnen auch dessen Lektüre ans Herz legen.
 
Nun liegt das Urteil im Volltext vor. Und der Volltext enthält weitere Feststellungen, die für die betriebliche Praxis wichtig sind:
 
a) Grundsätzlich sind Unternehmen an den Termin gebunden, den sie selbst als Stichtag für die Zielvorgaben gesetzt haben.
Im konkreten Fall war das der in einer Betriebsvereinbarung verankerte 01.03. des Bonus- bzw. Kalenderjahres.

b) Wird dieser Termin – was unserer Erfahrung nach sehr häufig passiert – überschritten, gilt Folgendes:

  • Nach Ablauf der Zielperiode (also nach Ablauf des Geschäfts- bzw. Kalenderjahres) ist alles zu spät. Oder um es mit den Worten des BAG zu sagen: Nach Ablauf der Zielperiode sind Zielvorgaben unmöglich und das Unternehmen schuldet in der Regel vollen „Bonus-Schadensersatz“.
  • Wurde der vereinbarte Termin für die Zielvorgabe zwar überschritten, ist die Zielperiode aber noch nicht abgelaufen, kommt es darauf an:Erfolgt die Zielvorgabe zu einem Zeitpunkt, in dem – wie im entschiedenen Fall – bereits ca. 3/4 der Zielperiode vorbei sind, kann die Zielvorgabe ihre Motivations- und Anreizfunktion nicht mehr erfüllen. Es gilt dann also das gleiche wie zuvor: Das Unternehmen schuldet in der Regel vollen „Bonus-Schadensersatz“.Ansonsten ist es laut BAG eine Frage der Umstände des Einzelfalls, ob Unternehmen sozusagen automatisch vollen „Bonus-Schadensersatz“ schulden. Leider bleibt da BAG hier recht schwammig und sagt:

    „Ob das Fehlen einer Zielvorgabe nach Ablauf eines solchen Zeitraums nicht nur eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers darstellt, sondern unmittelbar auch zur Annahme der Unmöglichkeit einer späteren Zielvorgabe führt, hängt ebenfalls von den Umständen des Einzelfalls und insbesondere dem Sinn und Zweck einer Zielvorgabe ab. Eine Zielvorgabe wird auf jeden Fall dann unmöglich, wenn so erhebliche Teil der Zielperiode abgelaufen sind, dass die Anreiz-, Motivations- und Steuerungsfunktion nicht mehr erfüllt werden und der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht mehr in ausreichendem Maß an den Zielen orientieren kann.“

Was lernen wir daraus?

06. Mai 2025

Verlängerung der Probezeit? Ist rechtlich schwierig und schafft oft mehr Probleme als es nutzt

Verlängerung der Probezeit? Ist rechtlich schwierig und schafft oft mehr Probleme als es nutzt

Sie werden sich sicher schon ein ums andere mal gefragt haben:

Kann man eine Probezeit verlängern?

Um diese Frage ging es auch in dem gerade veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts Hessen vom 29.10.2024 (Az.: 8 Sa 1057/23). Bevor wir zum Fall kommen, zunächst noch einmal zur Terminologie:

Wenn Unternehmen von Verlängerung der Probezeit sprechen, meinen sie die Verlängerung der kündigungsschutzrechtlich relevanten Wartezeit.
Die Bedeutung einer Probezeit erschöpft sich bekanntlich in den kürzeren Kündigungsfristen, die das Gesetz in § 622 Absatz 3 BGB für die Dauer einer vereinbarten Probezeit von maximal 6 Monaten vorsieht.
Viel wichtiger als die kürzeren Kündigungsfristen während einer vereinbarten Probezeit ist aber die in § 1 Absatz 1 des Kündigungsschutzgesetzes geregelte 6-monatige Wartezeit, nach deren Ablauf das Kündigungsschutzgesetz gilt.

Denn jeder weiß: Nach Inkrafttreten des Kündigungsschutzgesetzes ist es verdammt schwer, sich von Beschäftigten zu trennen.

Was also tun, wenn Beschäftigte innerhalb der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses nicht überzeugt haben, der Arbeitgeber diese Beschäftigten aber auch noch nicht ganz abschreiben möchte?

05. Mai 2025

Am 01.05.2025 kommt sie: Textform bei der Elternzeit

Am 01.05.2025 kommt sie: Textform bei der Elternzeit

Achtung an alle Eltern und Personaler: Ab dem 01.05.2025 sind die Formerleichterungen beim Elternzeitverlangen und rund um Anträge auf Teilzeit während der Elternzeit in Kraft. Die bislang geltende Schriftform („wet ink“) ist dann durch Textform (z. B. E-Mail) ersetzt.
 
Aber Augen auf: Wie fast immer im Elternzeitrecht wird an das Geburtsdatum des Kindes angeknüpft – die im Folgenden dargestellten Neuerungen gelten also nur für Elternzeiten und Teilzeiten während der Elternzeit für die Kinder, die ab dem 01.05.2025 geboren sind bzw. werden. Für alle Kinder, die vor dem 01.05.2025 geboren sind, bleibt es bei der alten Gesetzeslage, also der Schriftform!
Deshalb sind alle Beteiligten gut beraten, ab jetzt besonders genau darauf zu achten, für welches Kind mit welchem Geburtsdatum Elternzeit verlangt oder Teilzeit während der Elternzeit beantragt wird. Da Elternzeiten bis zum 8. Geburtstag des Kindes möglich sind, haben es alle Beteiligten also mit einem sehr langen Übergangszeitraum zu tun …
 
Nun knüpfen wir gerne an unseren Newsletter vom 24.10.2024 an und fassen zusammen:
 
➡ Für das Elternzeitverlangen gilt ab dem 01.05.2025 Textform, § 16 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz neue Fassung.
Das bedeutet, dass nun (anders als bisher) auch der Sonderkündigungsschutz durch eine entsprechende Mitteilung in Textform ausgelöst wird. Für Beschäftigte sind das gute Nachrichten.
➡ Auch für den Antrag auf Teilzeit während der Elternzeit genügt nun Textform, § 15 Absatz 5, Absatz 7 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz neue Fassung. Diese Erleichterung macht uns ein wenig Sorge, denn es steht zu befürchten, dass diese Anträge jetzt mit (noch) weniger Sorgfalt formuliert werden und deshalb der praktische Umgang erschwert wird. Auch dazu verweisen wir auf unsere bisherige Berichterstattung, und zwar vom 01.02.2024.
➡ Will der Arbeitgeber die Elternzeit ablehnen, kann er das innerhalb der im Gesetz genannten Fristen mit Begründung ebenfalls in Textform tun.

Unser Rat an alle Beteiligten: Bleiben Sie bei allen Erklärungen rund um die Elternzeit so sorgfältig und besonnen wie bisher und lassen Sie sich von der Formerleichterung nicht zu einem laxen Umgang und ungenauen Formulierungen verführen – denn das kann für beide Seiten unangenehme Folgen haben.

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29. April 2025

Gleichbehandlung – der Stichtag entscheidet!

Gleichbehandlung – der Stichtag entscheidet!

In wirtschaftlich schwierigen Zeiten werden wir von Unternehmen oft gefragt:
Können wir bei Neueinstellungen Sonderzahlungen o. ä. streichen? Oder verstößt das gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz?
 
Unsere Antwort war immer:
Es verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Sie ab dem Tag X bestimmte Leistungen nicht mehr gewähren.
 
Wie schön, dass wir das Ganze jetzt auch durch ein gerade veröffentlichtes Urteil des Landesarbeitsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern vom 26.11.2024 (Az.: 5 SLa 72/24) untermauern können.
 
Die Kernaussage in dem Urteil lautet:
 
„Einem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, bisher gewährte Leistungen, zu deren Erbringung er kollektivrechtlich nicht verpflichtet ist, für neu eingestellte Beschäftigte auszuschließen. In einem solchen Fall besteht eine dementsprechende Freiheit in der Wahl eines Stichtages; die Wahl eines in der Zukunft liegenden Stichtages bedarf grundsätzlich keiner Begründung (BAG, Urteil vom 25. Oktober 2001 – 6 AZR 560/00 – Rn. 29, juris = EzBAT § 40 BAT Nr. 20; LAG Hessen, Urteil vom 8. März 2010 – 17 Sa 1136/07 – Rn. 33, juris).“
 
Es verstößt also nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Sie allen Beschäftigten, die ab dem Tag X eingestellt werden, bestimmte Leistungen nicht mehr gewähren. Denn dann behandeln Sie ja alle ab dem Tag X Eingestellten gleich. Die Betonung liegt freilich auf alle. Wenn Sie bei Neueinstellungen ab dem Stichtag X nur einzelne Gruppen ein- bzw. ausschließen möchten, müssen Sie nach wie vor sachliche Gründe für die Differenzierung haben.

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24. April 2025

Die Suche nach einem „Digital Native“ ist eine unzulässige Altersdiskriminierung

Die Suche nach einem „Digital Native“ ist eine unzulässige Altersdiskriminierung

Das gerade veröffentlichte Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 07.11.2024 (Az.: 17 Sa 2/24) ist ein weiterer Beleg dafür, dass Unternehmen bei der zielgruppenorientierten Formulierung von Stellenanzeigen mit einem Bein im AGG (= Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) stehen.

Im konkreten Fall wurde dem Unternehmen die Suche nach einem „Digital Native“ zum Verhängnis.

Das Unternehmen suchte eine:n „Manager Corporate Communications (m/w/d) Unternehmensstrategie“ und beschrieb die Stelle u. a. folgendermaßen:

„Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“.
 
„Du bist ein absoluter Teambuddy…“
 
„Miss Dich mit interessanten und herausfordernden Aufgaben in einem dynamischen Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung“.


Hierauf bewarb sich ein 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist (was auch sonst), wurde abgelehnt und machte dann eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG geltend, die ihm allerdings nicht in der beantragten Höhe (= EUR 37.500,00) sondern „nur“ in Höhe von EUR 7.500 (= 1,5 Gehälter der ausgeschriebenen Position) zugesprochen wurde.

Ein Strick wurde dem beklagten Unternehmen vor allem aus dem „Digital Native“ gedreht.

Durch eine akribische Begriffsanalyse haben die Richter nämlich festgestellt, dass zu den Digital Natives jedenfalls keine Menschen der Jahrgänge vor 1980 gehören. Hier die interessante Begründung der baden-württembergischen Landesarbeitsrichter: